474--Der große Mann aus Africa
Der afrikanische Kurator und Kritiker OKWUI ENWEZOR ist der künstlerische Leiter der nächsten documenta im Jahre 2002 in Kassel. In Nigeria geboren, lebt Enwezor seit 1981 hauptsächlich in New York. Er war letztes Jahr Kurator der 2. Biennale von Südafrika in Johannesburg und ist zur Zeit Berater des Art Instituts in Chicago. Texte von ihm finden sich in u.a. in Flash Art, Frieze und der von ihm mitbegründeten Kunstzeitschrift Nka:Journal of Contemporary African Art. Eine seiner wichtigsten Ausstellungen, die ihn bereits vor der Biennale von Johannesburg bekannt machten, war 1996 im New Yorker Guggenheim-Museum die Fotoschau “In/Sight: African Photographers 1940-Present”. Ferner gehörte Enwezor zur Gruppe der fünf gefeuerten Kuratoren beim Bonner Skandalprojekt “Zeitwenden” (geplant 1999), was für ihn jedoch eher positiv als negativ zu bewerten ist.

Der Sprung auf das internationale Kuratorenkarussell gelang Enwezor im Oktober 1997 mit der Eröffnung seiner Biennale von Johannesburg, die unter dem Thema “Trade Routes - History and Geography” stand. Er hatte das System der Nationenbeiträge über Bord geworfen und zudem sechs weitere Kuratoren eingeladen, einzelne Abteilungen einzurichten. Selber kuratierte er zusammen mit Octavio Zaya die Hauptschau “Alternating Currents”. Von den über 80 Künstlern kamen - und es sah aus, als sei es völlig normal - ein großer Teil aus den afrikanischen Ländern. An auch hier bekannten Positionen tauchten wiederum zum Beispiel Arbeiten auf von: Olafur Eliasson, Ken Lum, Gabriel Orozco, Esko Mannikö, Steve McQueen, Marco Peljhan, Felix Gonzalez-Torres, Pierre Huyghe, Joachim Koester, Peter Robinson, Beat Streuli, Sam Taylor-Wood, Mark Wallinger, Renee Green und Hans Haacke.

Der neue documenta-Leiter Okwui Enwezor, Mitte 30, temperamentvoll und ein Mann von stattlicher Statur, ist eine absolute Überraschung, aber keine schlechte. Es wurde in den letzten Jahren zwar viel vom Blick über die Grenzen und Kanäle der westlichen Kunstwelt geredet, aber sehr viel weniger danach gehandelt. Dies könnte sich jetzt ändern und genau diese Erwartung wird auch an Enwezor gerichtet. Kassel, der Kunstszene und der documenta konnte kaum etwas besseres passieren.

Christoph Blase

Daten: Okwui Enwezor wird am 26. Oktober 1998 in Kassel als künstlerischer Leiter der documenta 11 vorgestellt.
Eine hervorragende Zusammenstellung mit Informationen zu Enwezor und der Biennale von Südafrika bietet Universes in Universe


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Kommentar: Hier noch einige Zitate von Okwui Enwezor,

herausgerissen aus diversen Zusammenhängen:

"I'm like an insect with antennae twitching all over the place," he says, fingering the air by way of illustration. "Although the challenges are so daunting, it is an exhilarating, refreshing opportunity to be in a situation where the cultural issues are so raw, immediate and alive." (Quelle: http://wn.apc.org/wmail/issues/960913/ARTS1.html)

“Wie ich die diesjährige documenta finde? Das ist eine schwierige Frage. Die jetzige documenta ist eine harte Ausstellung, schwer zu lieben (it is a though show to love). Aber sie ist sehr ernst gemeint, und ich denke, sie macht keine Konzessionen an die Erwartungen des Publikums hinsichtlich von Objekten und an die Mechanismen oder Erwartungen des Marktes.
Wir in Johannesburg haben aber andere Prioritäten. Und obwohl Catherine David sich bemüht hat, die inzestuöse Beziehung zwischen dem Markt, Händlern und Institutionen usw., aufzubrechen, bleibt ihre documenta eine erstaunlich »westliche« Institution, dabei meine ich »westlich« nicht in einem abschätzigen Sinn. Das bedeutet nur eine ganz andere Art von räumlicher Praxis, die in dieser Gegend existiert. Ich denke aber, für mich selbst wäre es unglaublich naiv, für zwei Wochen nach China zu reisen und dann zurückzukommen und zu verkünden, das einzige, was die Leute dort in der Kunst richtig machen, ist Poesie.” (Quelle: http://www.kulturbox.de/univers/car/africus/d_enwez.htm)

"I am not apologetic about the position I have assumed," says Enwezor. "The curator is not simply a facilitator but a conceptualist. He or she has to set up a dialectic. After all, art is not simply about aesthetics. It is ideological and we all occupy specific positions in relation to it." He adds: "But the issue of curators and power is completely overblown." (Quelle: http://www.mg.co.za/mg/art/reviews/97oct/9oc-biennale2.html)

“Für mich war es unmöglich, einmal mehr diese große Geste der Kunstwelt zu unterstützen, und mich als der alleinige Kurator zu präsentieren. Ich fühlte die Notwendigkeit, mit anderen Kuratoren zusammenzuarbeiten. Das macht meine Position komplizierter, es macht sie aber auch besser nachvollziehbar.” (Quelle: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/sa/3124/1.html)

“I did not set out to make an exhibition to resolve political or economic conflicts. I did not set out to make an exhibition in order to build more houses. I did not set out to make this Biennale to have everyone agree on my conceptualization. But art has always existed as an aggressive surface that rubs against the world and the artists we have chosen to participate in this project are those who are making the kinds of gestures that go beyond the ecstatic. These are artists who pose durable questions.” (Quelle: http://www.dialnsa.edu/iat97/johannesburg/enwezor.html)

“Unter anderem wollen wir es vermeiden, eine fetischistische Beziehung zwischen dem Publikum und dem Kunstwerk herzustellen. Darüber hinaus lassen es die nationalistischen und offen gewaltsamen Töne, die auf der ganzen Welt zu hören sind, problematisch erscheinen, Fragen oder Ideen nationaler Präsentationen zu bevorzugen. Im allgemeinen neigen die Kuratoren oder künstlerischen Leiter dazu, sich nach einem alten Modell sozusagen als Autoren zu betrachten. Um diese Position zu durchbrechen, diese Gewohnheit, durch die wir es nicht zulassen, daß Ideen oder Prozesse komplexer aufgefaßt werden, haben wir beschlossen, Johannesburg zu einem anderen Forum zu machen. Wir haben 6 Kuratoren aus verschiedenen Teilen der Welt eingeladen und meine einzige Bedingung war, daß ihr jeweiliges Projekt nicht auf nationalen Kriterien beruhen darf und sie ihre eigenen territorialen Neigungen überwinden sollen.” (Quelle: http://www.kulturbox.de/univers/car/africus/d_enwez.htm)

"The curator today is not an administrator as in previous years. He or she is more critically engaged with the subject matter, more willing to be implicated in it and accountable for it." (Quelle: http://www.mg.co.za/mg/art/reviews/97oct/9oc-biennale2.html)


Blitz Review <100444.3467@compuserve.com>
- Monday, October 26, 1998 at 16:32:11 (MET)
Kommentar: Die Videoaufzeichnung ...

... des Vortrags von Okwui Enwezor bei “100 Tage - 100 Gäste” zur documenta X liegt nach wie vor zum Online-Abruf unter: http://www.mediaweb-tv.de/dx/index.html

Blitz Review <100444.3467@compuserve.com>
- Monday, October 26, 1998 at 18:38:15 (MET)

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