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Venedig ohne Berge

Der Maler Herbert Brandl, der Österreich bei der diesjährigen Biennale in Venedig vertritt, über das Peinliche in der Malerei, Schnulzenpop und darüber, warum seine Bilder jedes Jahr um zehn Zentimeter größer werden.
 
Falter 17/2007 vom 25.4.2007
Ressort Kultur > Kunst
Autor Christof Huemer


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Wenn freundliche, bescheidene Menschen Erfolg haben, erfüllt einen das mit dem Gefühl universaler Gerechtigkeit. Herbert Brandl, geboren 1959 in Graz, ist wohl der freundlichste Mensch der Welt. In einem Innenhof im achten Wiener Bezirk liegt sein Atelier, eine lichtdurchflutete Halle, ein Superspielplatz, eine Oase. Abstrakte Riesengemälde, die wie Expeditionen ins Wesen der Farbe wirken und deren Preis jeweils mindestens 66.000 Euro beträgt, lehnen an den hohen Wänden, sie werden am selben Nachmittag abgeholt, nach Venedig gebracht. Die schönsten Katzen der Welt, zwei amerikanische Maine Coons und ein Bengale, streifen herum. Ein Modell des österreichischen Biennale-Pavillons steht am Boden, daneben ein Tisch, ein Sessel, Designerstücke. Ein Stuhl wird dazugerückt, und Brandl gelingt es im Nu, inmitten all der riesigen Farbtafeln Kaffeehausatmosphäre zu erzeugen, einfach indem er sich hinsetzt. Er spricht leise oder besser: fein. Alles an ihm, um ihn – und das Format seiner Gemälde steht dazu in keinem Widerspruch – hat etwas Feines: sein Gesicht, dem eine Autoimmunerkrankung gerade alle Haare abspenstig macht („Tut nicht weh.“), sein Humor, sein Lachen. Immer wieder lacht er, amüsiert und bescheiden, so fängt das Gespräch an, Herbert Brandl soll seine Karriere in sieben Sätzen umreißen.


Herbert Brandl: Sieben auf einen Streich. Hm. Studiert habe ich in Wien an der Hochschule für angewandte Kunst, aber ursprünglich nicht Malerei. Ich habe dann auch den Lehrer gewechselt und bin zu Peter Weibel (Medientheoretiker und u. a. Kurator der Grazer Neuen Galerie, Anm.) gegangen, zu neuen Medien, Performance. Aber ich hatte immer einen eigenartigen Hang zur Ölfarbe und habe beim Weibel in der Klasse auch nur gemalt. Bis ich dann aufgehört habe, an die Schule zu gehen (lacht). Das war damals eine günstige Zeit, Peter Pakesch (Grazer Kunsthaus-Intendant, Anm.) hat gerade mit seiner Galerie begonnen. Und ich habe eigentlich früh verkauft. Aber gut, das war in den Achtzigern, es gab diesen Boom der jungen Maler, da konnte man vom Malen eigentlich schon ganz gut leben.

Falter: Jetzt vertreten Sie Österreich bei der Biennale. Eine Überraschung?

Ich hatte das eigentlich vergessen oder abgeschrieben. Ich hatte den Eindruck, die Biennale ist eher was für viel jüngere Leute (lacht), ich bin schon ins Alter gekommen. Aber so ganz stimmt’s auch nicht. Und Malerei hat man in einem österreichischen Pavillon eigentlich schon lange keine mehr gesehen. Überhaupt ist derzeit nicht so viel Malerei zu sehen, das meiste ist installativ, konzeptionell, Skulpturen. Ich freue mich sehr darüber, weil es doch eine enorme Aufmerksamkeit bringt, und zur gleichen Zeit finden ja noch die Kunstmesse Basel und die documenta statt.

Sie waren 1992 bei der documenta 9 dabei. Das bedeutet, man ist etabliert, oder?

Naja, es weiß dann halt jeder. Aber dass man dadurch etabliert ist, das glaube ich nicht. Es kann ein guter Aufwind sein. Mir brachte es damals einige Folgeausstellungen und superinteressante Begegnungen und Kontakte. Man lernt eine Menge Künstler kennen, Kuratoren, Kritiker. Die kommen nicht zu Einzelausstellungen.

Vor kurzem sprach man ja noch von der Krise der Malerei. Haben Sie die gespürt?

Seit ich male, seit gut dreißig Jahren, wird die Malerei immer wieder totgesagt. Trotzdem gab es immer wieder super Maler, die durchgehalten haben, bis ins hohe Alter. Aber diese Zeit gab es schon. Ich glaube, ich habe damals begonnen, Bergbilder zu malen. So mit dem Gedanken: „Jetzt kannst ruhig diesen Scheiß malen, Malerei wird sowieso nicht mehr ausgestellt.“

Diesen Scheiß?

Weil es als abwegiges Thema empfunden wurde. Da konnte man gleich Blumen und Berge malen. Das war zu einer Zeit, als in Kunsträumen wirklich fast nur mehr Videokojen zu sehen waren. Aber siehe da: Kurz darauf boomte Malerei wieder.

Empfindet man das als unheimlich, dass diese Konjunktur scheinbar gesteuert werden kann?

Es wird schon auch gesteuert. Aber berechnen kann man es nicht, da ist immer noch ein großer Unsicherheitsfaktor dabei.

2005 waren Sie dann mit der „Neuen Abstrakten Malerei aus Österreich“ in China. Hat man Sie dort verstanden?

Nein, das glaube ich nicht. Die Chinesen sind, was den Blick auf den Westen betrifft, natürlich stark auf Amerika fokussiert. Europäische Kunst, kommt mir vor, ist für die so was wie Kunst aus dem Märchenland. Natürlich abgesehen von Immendorf, der dort ein Heiliger ist, durch die kommunistische Phase in seinen Bildern, der ist wirklich sauberühmt. Ich habe nächstes Jahr wieder eine Ausstellung in Peking, über meine Frankfurter Galerie, die lustigerweise gut an chinesische Sammler verkauft. Ich hatte eher den Eindruck, die werden das sofort vergessen, aber es gibt wohl doch ein Interesse ...

Vor zwei Jahren hat Hans Schabus den Biennale-Pavillon zum Berg gemacht. Und jetzt kommt der, der die Bergbilder malt.

Es wird aber kein Bergbild zu sehen sein (lacht). Das war von Schabus ja sehr gezielt auf Österreich und den Pavillon hin gemacht. Das ist ein Riesenstatement, das mit seinem anderen Werk gar nicht so verbunden ist, oder? Aber natürlich habe ich mir gleich mal gesagt: Berge kannst du da jetzt keine zeigen. Ich male jetzt auch schon längere Zeit keine Berge. Nur ab und zu gönne ich mir noch eine kleine Bergtour.

Was haben Sie sich für Venedig vorgenommen?

Ich möchte alles einfach halten. Die Räume sind recht schlicht, es wird nicht so radikal umgebaut, dass man sagt: Aha! Nur auf das Licht haben wir Rücksicht genommen. Wie sich die Bilder dann zueinander auf diesen Wänden verhalten, das muss ich vor Ort testen. Das ist auch das, was mich noch interessiert. Bei der Arbeit davor habe ich einfach einen malerischen Flow ausgenutzt, wie auf einer Welle dahinsurfen, solange es geht. Und jetzt muss ich entscheiden, was ich da herausnehme.

Haben Sie Berater?

Ja, das ist auch ganz lustig. Man muss schon fast richtige Meinungsumfragen abhalten, weil viel mehr Leute involviert sind als bei einer normalen Ausstellung.

Bei der letzten Biennale war ein eindeutiger Überbietungscharakter zu spüren. Es schien sehr darum zu gehen, Aufmerksamkeit zu erzwingen.

Das ist eben das Problem. Denn eigentlich will ich nur meine Malerei entfalten und entwickeln und nicht etwas für einen Event machen. Das passt nicht in mein Denken. Aber im Hinterkopf hat man’s, und das ist problematisch. Es soll eine in sich klare Geschichte sein, die nicht nur auf das Spektakel abzielt. Natürlich hätte ich noch größere Formate machen können ... (lacht)

Ist Malerei Farbe auf Leinwand?

Gerade diese riesige Einschränkung ist zugleich das Spannende. Im Rahmen von „erweiterter Malerei“ kommt man um die Malerei, um die Peinlichkeit herum: Man stellt es in den Raum, in extremen Dimensionen, geht an die Decke, an den Boden, bringt die Farbe anders an, und so weiter. Aber dort wollte ich nie hin, ich wollte immer straight das Format haben, ganz eng, ganz eingeschränkt.

Das Peinliche?

Man kriegt ja immer zu hören, das ist konservativ, lange überholt. Aber es gibt in diesem Dispositiv nach wie vor viel zu tun. Nur mit Leinwand und Pinsel. Aber mir ist es ja eh nicht peinlich. Vielleicht meinen Händlern ... (lacht)

Man tut sich schwer, in Ihren Arbeiten eine lineare Entwicklung zu sehen. Was mir aber auffällt: Ihre Bilder werden immer größer.

Das ist keine schlechte Beobachtung. Ich habe jetzt alles zurückverfolgt, was ich im Laufe der letzten zwanzig Jahre gemacht habe. Die Bilder wachsen anscheinend wirklich pro Jahr um zehn Zentimeter. Und ich habe Lust, dass sie noch mehr Dimension kriegen. Und die lineare Entwicklung war für mich immer ein wichtiger theoretischer Punkt. Gerade von Peter Weibel kam das Diktat, alles müsse sich linear, und zwar nach oben, entwickeln, die Wirtschaft und die Kunst. Und man müsse alles weglassen, was schon gemacht worden ist. In den letzten zehn, 15 Jahren scheint sich das aber verändert zu haben. Das sieht man auch an der Arbeit, die ich bis jetzt gemacht habe. Dass die Dinge immer wiederkehren, fast wie saisonal bedingt.

Ihr Vater hat Ihnen ja als Kind das Matterhorn als Zeichenvorlage gegeben. War das eine lange Geschichte des Scheiterns an diesem Berg?

Da haben Sie recht, das ist eine lange Geschichte, die eigentlich damit begonnen hat, dass mein Vater – er war Hobbymaler und Hobbyzeichner – diese Zeichnung auf die Wand gemacht hat. Ich habe dann darauf das Matterhorn mit einem Messer eingeritzt. In meiner Kindheit war das Scheitern in der Malerei tagtäglich da, als ich realistisch zeichnen wollte, aber nicht konnte. Aber die letzten Jahre scheitere ich eigentlich immer weniger. Es gibt sicher schwächere Arbeiten, für die ich einfach nicht mehr genügend Kraft hatte, aber ich empfinde das nicht als Scheitern, ich berechne mit ein, dass es Fehlversuche gibt.

Sie vermitteln ein wenig den Eindruck eines Naturburschen. Andererseits leben Sie in Wien, als Vorlage dienen Ihnen Fotos. Ist Ihnen die vermittelte Erfahrung lieber als das Naturerlebnis?

Das Erleben ist schon die Hauptsache, das interessiert mich in erster Linie. Ich arbeite auch stark aus der Erinnerung heraus, das Foto brauch‘ ich eigentlich gar nicht. Es ist für mich eine Erleichterung, aber es ist nicht mein Thema. Diese Unmittelbarkeit der Erfahrung, die ich mit der Leinwand und der Farbe mache, ist das, was mich eigentlich interessiert und wovor ich immer auch ein wenig Angst habe.

Haben Sie Humor, wenn Sie allein sind mit der Leinwand?

Ja, ich gehe nicht sehr ernsthaft an die Sache ran, es herrscht manchmal Betrieb, und ich merke schon, wenn Leute da sind, die bauen sich irgendwie mit in die Arbeit ein.

Wie steht’s mit Kritik an Ihrem Werk?

Ich habe keine Ahnung, wie die Presse über mich schreibt, ich lese das aus Angst sehr selten. Aber es gibt schon ein paar lustige Artikel, in denen man mich als pathetischen Extremmaler bezeichnet oder mir vorwirft, dass ich eine Blume male.

Wenn man mal „junger Wilder“ war, wovon löst man sich denn zuerst: Von der Wildheit? Von der Jugend?

Heruntergekommen und alt fühle ich mich (lacht). Aber ich war nie ein junger Wilder, mir hat das nie gepasst, man hat mich nie gefragt, ob ich mich damit identifiziere. Ich war noch zu jung.

Aber gerade alt genug für New Wave.

Das war unglaublich wesentlich für uns. Ich kann mich an eine Zeit erinnern, da hatte ich mit Gerwald Rockenschaub (diesjähriger documenta-Teilnehmer, Anm.) zusammen eine Wohnung. Es lebte noch ein Musiker dort, und wir haben mit Sound experimentiert. Wir wollten, dass das, was wir damals unter Malerei verstanden, mit dieser Mode zu tun hat, vor allem mit der Musik. Mittlerweile bin ich aber nur mehr Konsument. Ich habe zwar eine E-Gitarre dort stehen, auf der vertreibe ich mir manchmal die Zeit. Oder ich lege mir beim Malen eine schräge CD ein. Ich besitze da einen völlig wüsten Geschmack. In einem Esoterikladen habe ich kürzlich eine CD einer indischen Sängerin gekauft, die Krishna besingt, auf Schnulzenpop. Aber wenn ich Ihnen die vorspiele, Sie würden sie mir über den Kopf hauen.

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