Reiner Zettl: Pressetext zu Udo Bohnenberger. 2002 Ausstellung Udo Bohnenberger Eröffnung am 15. Jänner 2002 um 19.00 Uhr In der Galerie KausEngelhorn20 contemporary art, Stubenring 20,1010 Wien Ausstellungsdauer 16.01.2002 - 13.02.2002 Udo Bohnenberger thematisiert in seiner ersten Einzelausstellung die Räume der Galerie als gewachsenen historischen Ort. Geschichte manifestiert sich in Oberflächen und die Tiefe der Zeit ist reduziert auf die Dicke aufeinanderfolgender Häute. Wenn Archäologen und Kunsthistoriker in der Untersuchung von Dokumenten und Denkmälern diese Oberflächen sukzessive freilegen, bildet sich eine Collage aus Resten verschiedener Zeithorizonte, die jeweils einen Anspruch auf das Ganze erheben. Seit dem Beginn der historischen Wissenschaften haben wir gelernt, diese Oberflächen als Spuren zu lesen. Wir erschliessen aus ihnen vergangene Bedeutungen und Absichten. Dieser materielle Niederschlag ist als solcher aber auch der natürlichen Veränderung unterworfen. Die Ruine war zur Zeit ihrer Fassung als ästhetisches Prinzip auch als Trost gedacht. Verfall war ebenso Aufheben individueller Verantwortung in die Geborgenheit des übergeordneten Prinzips Natur, das letztendlich unseren Körper wieder aufnehmen würde. Die klassische Moderne in ihrer Abscheu vor der Instabilität der Materie war dagegen fixiert auf glatte, weisse Flächen in denen abstrakte Konzepte ihre anscheinend zeitlose Umsetzung finden konnten. Als diese Geschichtslosigkeit der Moderne, die eine Folge des Bewusstseins unbeschränkter technischer Machbarkeit darstellt, in einer kritischen Reflexion unserer begrenzten materiellen Grundlagen wieder auf die Erde gestellt wurde und das Wirtschaften mit Materie so auf neue Weise wieder Bedeutung gewann, traten damit auch die Orte der Arbeit neu ins Bewusstsein. Wir ästhetisieren oder vernichten was für uns funktional obsolet geworden ist. Entweder wir reissen eine alte Fabrik nieder oder wir machen ein Museum aus ihr. Nicht nur wegen der Dimensionen ehemaliger Stätten der Industrieproduktion, sondern vor allem wegen ihrer Patina, der Schichten ihrer Oberflächen, die den Ort mit dem richtigen Pathos versehen und Kunst moralisch korrekt als Arbeit ausweisen. Udo Bohnenbergers Installation in der Galerie KlausEngelhorn schreibt sich in diesen Kontext des Umgangs mit Geschichte ein und gewinnt ihre Eigenart in der Weise wie beide Haltungen Anerkennung finden. Das im Keller an die Wand gebeamte Video zeigt den Bericht des von Udo Bohnenberger zur Untersuchung der Bausubstanz eingeladenen Restaurators, der in der Ablösung der einzelnen Oberflächen die Abfolge der verschiedenen Ausstattungen und Verwendungen dieser Räumlichkeiten aufschlüsselt. Der Demonstration des überlieferten Gebäudezustandes, von der die Galerieräume ästhetisch dominiert werden, wird so durchaus affirmativ eine Analyse entgegengestellt, die den momentanen Zustand klar als eine von vielen Möglichkeiten erweist. Während also im Keller der historische Kontext klargelegt wird, dient das Erdgeschoss als Operationsfeld für strategisch gut positionierte Ansatzpunkte einer möglichen Modernisierung. In Objekten verdichtete Farb- und Oberflächenproben bieten suggestive Ansatzpunkte für ganz andere Raumcharaktere: unser Vorstellungsvermögen ist aufgefordert, aus der jeweiligen Wirkung der einzelnen Elemente einen umfassenden Eingriff zu synthetisieren. Pro Objekt steht eine Variation zur Debatte die von den Protagonisten seiner Gestaltung selbst geführt wird. Der Suggestion der Vergangenheit wird mit Ausblicken auf die Zukunft geantwortet. Text : Reiner Zettl Udo Bohnenberger 1969 geb. in Mainz (D) Studium an der Akademie der Bildenden Künste Wien Mitbegründer des offspace, Wien-Mitte Ausstellungen: 03/2001 run, Gruppenausstellung im Semperdepot, Wien 06/2001 Freie Wahlen, Gruppenausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Baden Baden (D) 01/2002 Einzelausstellung, Galerie KlausEngelhorn20