»Kontakt ... aus der Sammlung der Erste Bank-Gruppe« Ileana Pintilie MUMOK Wien 17.3.2006 - 21.5.2006 Wien. Die expansionistische Politik der Erste Bank-Gruppe im mittel- und osteuropäischen Raum hat zu einer Sammlung geführt, die dieser ehemals kommunistischen Region gewidmet ist und auch österreichische KünstlerInnen einschließt. Dass das Interesse an diesem Raum auch ästhetische Züge annimmt, zeigt sich an der Initiation einer Kunstsammlung, die sich fürs Erste auf die siebziger Jahre beschränkt. Sie eröffnet neue Perspektiven auf die künstlerische Praxis in dieser Region, die sich klar vom künstlerischen Diskurs des Westens abhebt, es aber dennoch schafft, sich die Merkmale internationaler Kunst zu bewahren. Die Sammlung besteht aus einzigartigen Werken, die in den Heimatländern der betreffenden KünstlerInnen paradoxerweise nicht auf großes Interesse stoßen. Dies war der Ausgangspunkt der von einer internationalen Jury kuratierten Ausstellung, die im MUMOK und parallel dazu in den tranzit workshops Bratislava unter dem Titel »Kontakt« zum ersten Mal Werke aus dieser Sammlung der Öffentlichkeit präsentierte. Der Titel »Kontakt« geht zurück auf die Anti-Happenings des slowakischen Künstlers Julius Koller in den 1960er und 1970er Jahren. Die Ausstellung präsentiert den Konzeptualismus und Aktionismus der siebziger Jahre zusammen mit anderen experimentellen Tendenzen als eine Summe aus »Teil-Geschichten«. Sie ist Ausdruck eines Kontextes, der sich von dem westlicher Kunst erheblich unterschied und zeigt bedeutende KünstlerInnen dieser Region: Marina Abramovic, Pawel Althamer, Josef Dabernig, Valie Export, Stano Filko, Tomislav Gotovac, Julius Koller, Ion Grigorescu, Tibor Hajas, Sanja Ivekovic, die Irwin-Gruppe, Dalibor Martinis, Rasa Todosijevic, Peter Weibel, um nur ein paar der in der Ausstellung vertretenen Namen zu nennen. Durch die offene Art der Präsentation dieser völlig unterschiedlichen KünstlerInnen sollen dem Publikum neue Wege der Annäherung an deren Kunst eröffnet werden. Die 1970er Jahre ebneten den Weg für unterschiedliche formale und künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten. Gleichzeitig versuchten KünstlerInnen ihre Konzepte mit Hilfe der Sprachen der neuen Medien umzusetzen, insbesondere die der Fotografie und des Experimentalfilms. Für Ion Grigorescu ist die Verwendung dieser beiden Medien bei seiner Suche nach der »Realität« von instrumenteller Bedeutung. Sein künstlerisches Interesse gilt seiner unmittelbaren Umgebung und ganz besonders dem menschlichen Körper. Die meisten seiner Fotografien aus dieser Zeit sind eher introspektiv. Sie vermitteln gewissermaßen den Blick nach innen, konzentriert auf das Selbst, wobei der Künstler sehr viel experimentiert, meist mit dem eigenen nackten Körper. In nur wenigen Fotos konzentriert er sich auf die äußere Welt. Ich beziehe mich hier auf eine umfangreiche Fotoserie mit dem Titel »Wahlversammlung« aus dem Jahr 1975, in der der Künstler für derartige Veranstaltungen typische Momente eingefangen hat. Die im Verborgenen entstandenen Fotografien offenbaren eine Vielzahl bedeutender Details des aufsteigenden diktatorischen Regimes: Das Auto mit den Lautsprechern, die die Zurufe und den Applaus der Menschenmasse verstärken, Plakate mit dem Porträt Ceausescus, die einen wahren Schilderwald bilden, die vielen von Vertretern der Arbeiterklasse gehaltenen Banner und Transparente, gelangweilte Menschen, lachend am Straßenrand sitzend, bilden einen starken Kontrast zu den ernsten Gesichtern der Staatssicherheitsleute, die das Geschehen mehr oder weniger offensichtlich manipulieren. In ihrer unanzweifelbaren Objektivität stellen diese Fotografien ein wertvolles Zeugnis einer äußerst traumatischen Epoche dar. Die Gruppe der exjugoslawischen KünstlerInnen ist sehr stark vertreten, darunter auch »historische« Namen, deren Aktionen teilweise bereits in die Geschichte zeitgenössischer Kunst dieser Region eingegangen sind, wie Rasa Todosijevic, Marina Abramovic, Sanja Ivekovic, Dalibor Martinis, die Irwin-Gruppe. Der Konzeptualismus von Rasa Todosijevic offenbart sich vor allem in dem berühmten Happening mit dem Titel »Was ist Kunst, Marinela Kozelj?«, bei dem diese Frage wie besessen wiederholt wird, was die körperliche Aggression gegen die Person, die befragt wird, noch verstärkt. Die eigentliche Frage – eine für KünstlerInnen fundamentale – bleibt unbeantwortet, und die brutale und wahnwitzige Art der Befragung verweist auf die repressiven Interrogationstechniken diktatorischer Regimes. Die Video-Performance von Marina Abramovic ist Teil einer Reihe, in der KünstlerInnen ihr eigenes Durchhaltevermögen vor der Kamera testen. Sie bürstet ihr Haar mit zwei Bürsten gleichzeitig und scheint damit den Titel zu illustrieren: »Art must be beautiful, artists must be beautiful«. Was als reinigender Akt mit alltäglichen Gesten beginnt, verwandelt sich nach und nach in etwas eher Ungewöhnliches mit negativen Auswirkungen; die endlosen Gesten bringen die Künstlerin langsam zur Verzweiflung. Diese Performance, offenbar eine Demonstration des Begriffs »schön«, ist zugleich eine Reflexion seiner Auswirkungen. Sanja Ivekovic beschäftigt sich vorrangig mit weiblichen und sehr persönlichen Themen. In einer Performance mit dem Titel »Inter nos« kommuniziert sie mit dem Publikum – von dem sie eine transparente Wand trennt – mit Hilfe eines Monitors. Der Fokus liegt hier auf Isolation und Eingesperrtsein, was die Künstlerin zu überwinden sucht, indem sie eine Beziehung zum Publikum aufbaut. Eine weitere Gruppe in der Ausstellung vertretener KünstlerInnen kommt aus der ehemaligen CSSR, wobei hier der Schwerpunkt auf weniger berühmten Namen liegt, darunter beispielhaft Julius Koller mit seiner Kritik an der technischen Utopie der sozialistischen Ära. In den 1970er Jahren, nach der Invasion der Tschechoslowakei durch sowjetische Panzer, als die Hoffnungen auf die Entwicklung eines entspannteren politischen Systems schwanden, schuf Koller sein eigenes ästhetisches System, das der modernen Gesellschaft äußerst kritisch gegenüberstand. Er dachte sich ein System aus Objekten aus, das er UFO (Universal Futurological Orientations) nannte, ein »realistisches« Konzept, das sich gegen Illusionismus, gegen Malerei und gegen Happenings richtete. Er führte die Idee einer ungewissen Zukunft in die Kunst ein und ging dabei mit pseudo-wissenschaftlicher Ironie vor. Koller konzipierte eine Reihe von »Anti-Happenings«, Fotografien, die den Künstler als Tischtennisspieler zeigen, ausgestattet mit einem Schläger und den bekannten weißen Bällen, und zwar an eher ungewöhnlichen Orten, wie zum Beispiel einem Dachbodenfenster … Die »Kontakt«-Ausstellung ist ein bedeutendes Ereignis, nicht nur weil sie das Augenmerk der Öffentlichkeit auf die Kunst eines Teils von Europa lenkt, der in Vergessenheit geraten zu sein scheint, sondern auch, weil sie den Werken der KünstlerInnen einen neuen Wert beimisst, sie in einem neuen Kontext verortet und sie endlich zum Gegenstand einer offenen internationalen Bestandsaufnahme macht. In der Folge erlangt die Kunst Ost- und Mitteleuropas eine solide Grundlage, basierend auf der Anerkennung geistiger Werte, die sowohl KünstlerInnen als auch ihrem Publikum als Konstante dienten. Viele von ihnen zeichnen sich nicht zuletzt durch ihren Widerstand, indem sie genau diese Werte propagieren, aus. Übersetzung: Gaby Gehlen