Julia Brodauf: Die chinesische Kunst hat die Exotik-Ecke verlassen FAZ.NET 3. Oktober 2001 Die zeitgenössische chinesische Kunst ist auf dem Art Forum Berlin mit einem Gemeinschaftsstand vertreten. Die Viererkoje umfasst die Galerien "The Courtyard Gallery", "Red Gate Gallery" und "China Art Archives & Warehous" aus Peking, die zu den Neuzugängen der Messe gehören, und die "Asian Fine Arts Berlin", die international mit moderner Kunst unterschiedlicher asiatischer Herkunft handelt und zum dritten Mal vertreten ist. Alle Galerien eröffneten innerhalb der letzten zehn Jahre - ein Zeitraum, der repräsentativ für den langsamen Öffnungsprozess der Volksrepublik ist. Einige der angebotenen Künstler waren schon zuvor in deutschen Museen, Galerien und Kunstmessen zu sehen. Eine ganze Reihe von ihnen nimmt auch an der parallel stattfindenden Ausstellung "Living in Time" im Hamburger Bahnhof in Berlin teil. Chinesische Kunst thematisiert Gesellschaftliches Für zeitgenössische Künstler bietet China immer weniger einschränkende Arbeitsmöglichkeiten. Der Markt öffnet sich nach außen. Die Künstler beschäftigen sich häufig mit den Veränderungen im Land und mit den Konsequenzen, die dies für das persönliche Leben des Einzelnen hat. Die traditionelle chinesische Kunst wird mit einbezogen. Auch westliche Positionen werden souverän aufgegriffen. Der 1962 geborene Ding Yi malt - ausgehend von der traditionellen chinesischen Kunst - Bilder, die auf eine meditative Weise immer wieder das gleiche Zeichen wiederholen, bis die ganze Fläche mit kreuzförmigen Ornamenten bedeckt ist. Kleine Formate von Ding Yi kosten um 4.000 Mark und sind beim "China Art Archives & Warehouse" erhältlich. "China Art Archives & Warehouse" wurde 1993 in Peking gegründet und vertritt junge Künstler der Stadt, deren Schwerpunkt auf den sozialen und kulturellen Veränderungen Chinas liegt. Die Entwicklung seiner Galeriearbeit, so Inhaber Frank Uytterhagen, stecke noch in den Kinderschuhen. Langsam erst schwänden die Einschränkungen durch den Staat, wobei die Künstler den Spielraum des Machbaren stets schon ausreizten. Ein Beispiel dafür wäre die Shanghai Biennale gewesen, deren Katalog den provokanten Titel "Fuck Off" trug. Erwartungsgemäß wurde die Ausstellung von der Polizei zunächst geschlossen. Einige Tage später durfte sie wieder öffnen; die chinesische Regierung wollte damit der Welt ihre Modernität präsentieren. Die Kataloge allerdings wurden konfisziert. Yue Minjuns Preise spiegeln seine Bekanntheit "The Courtyard Gallery", die seit fünf Jahren existiert, und die zehn Jahre alte "Red Gate Gallery" konzentrieren sich auf Fotografie, Malerei und Objekte zwischen 1.000 und 30.000 Mark. Die Preise bewegen sich somit auf dem allgemeinen Messeniveau. Internationale Erfolge feierte bereits Yue Minjun, der in China eine Professur inne hat. Arbeiten von ihm sah man in diesem Jahr auf der Biennale in Venedig und in der Fondation Beyeler in Basel. Sie zeigen Ansammlungen stereotyper Figuren mit einem großen breiten Lachen im Gesicht. Yues weltweite Bekanntheit spiegelt sich im Preis seiner Bilder. Ein Gemälde im Format 200 x 220 cm kostet bei "Asian Fine Arts" 130.000 Mark und liegt damit beispielsweise über dem Preisniveau des deutschen Jungstars Neo Rauch. Alexander Ochs von "Asian Fine Arts" verkaufte schon während der Eröffnung des Art Forum ein brandneues Gemälde des chinesischen Malers Fang Lijun für 40.000 Dollar, das sich mit seiner Kriegs- und Flüchtlingsthematik aktuell auf das politischen Geschehen bezieht. Der 34-Jährige war in den letzten zehn Jahren in zahlreichen Gruppenausstellungen weltweit vertreten. Einzelausstellungen hatte er New York, Tokio, Amsterdam, Paris und Berlin. Die Käufer stammen aus Europa und den USA Fangs Präsenz in den Sammlungen internationaler Museen wie dem Museum Ludwig in Köln oder dem Stedelijk Museum Amsterdam zeigt, dass auch Museumskuratoren die Entwicklung der chinesischen Kunst mit Interesse verfolgen. Die privaten Käufer moderner chinesischer Kunst stammen überwiegend aus Europa und den USA. Unter ihnen finden sich einige, die systematisch den Markt beobachten und in ihrem Sammelverhalten darauf reagieren. Nach Angaben von Alexander Ochs schlug sich das wachsende Interesse und die internationale Präsenz der Künstler in den letzten drei bis fünf Jahren in Preissteigerungen von 40 bis 50 Prozent nieder. Chinesische Kunst hat die Exotik-Ecke verlassen: Mit ihr darf gerechnet werden.