GALERIE SPLITTER ART Peter Wechsler Silvie Steiner über Peter Wechsler Die Schauung von Bildern ist verschieden von der Wahrnehmung von Dingen" (Robert Musil) Radierungen von Peter Wechsler im KunstSchauRaum SPLITTER ART "Man lasse die Schnellen schnell und die Langsamen langsam sein, jeden nach seinem aparten Zeitmaß. Die Schnellen können ihn Überblicksberufe gebracht werden, die der Beschleunigung des Zeitalters ausgesetzt sind. (...) Langsame Menschen hingegen lasse man Einzelheitsberufe wie Handwerk, Arztgewerbe oder Malerei lernen. Aus dieser Zurückgezogenheit werden sie auch den allmählichen Wandel am besten verfolgen können und die Arbeit der Schnellen und Regierenden vom Ergebnis her sorgsam beurteilen." Sten Nadolny "Die Entdeckung der Langsamkeit" 1987 Die Zeichnungen und Radierungen Peter Wechslers entstehen allesamt über einen langen Zeitraum hinweg, jeder Moment der Wiederbeschäftigung mit der bereits im Entstehungsprozess befindlichen Zeichnung ist ein intensiver, konzentrierter Arbeitsvorgang. "Ich kämpfe nicht gegen die Schnelllebigkeit der Zeit und dennoch kultiviere ich", so der Künstler, "einen anachronistischen Umgang mit der Zeit". (1) Dies dokumentiert auch die Katalogisierung seiner Werke: Römische Ziffern stehen für Langzeitprojekte, arabische Ziffern für kurzzeitige, bzw. fortlaufende Projekte. Verbunden mit diesem, seinem eigenen langsamen und kontinuierlichen Arbeitsstil ist eine ständige Reflexion über das Werk. - "den Strom aufhalten" nennt Peter Wechsler Momente des Innehaltens - Unterbrechungen, um aus der Distanz der Zeit und des Raumes der Arbeit erneut zu begegnen. Auch den Betrachter fordert die Rezeption der Zeichnungen und Kaltnadelradierung Peter Wechslers Zeit ab, um die Komplexität und Dichte, sowohl in der gedanklichen Konzeption als auch im tatsächlich Sichtbaren erfassen zu können. Im ersten Moment erscheint vieles ähnlich, nur um Nuancen verändert - hermetisch verschlossen und in seiner Reduktion auf wenige Farben radikal. Das Nebeneinander der einzelnen Zustandsdrucke bzw. Zeichenblätter ist eine Hilfestellung, gewährt einen Einblick in den Prozess der Entstehung. Die Dichte des Liniengeflechts im letzten Blatt erscheint auf einmal als logische Konsequenz. Nach einer Zeit des Einsehens, öffnen sich die Arbeiten. Ein Gefüge von Linienbündeln wird sichtbar, Raum entsteht, der sich einerseits perspektivisch in den Hintergrund entfaltet und anderseits auch nach außen wirkt. Arbeiten von undurchdringlicher Dichte sind dann von Radierungen, die skulpturartige Gebilde im Weiß des Blattes stehen lassen nicht mehr soweit entfernt. Verbindend ist der charakteristische zeichnerische Duktus des Künstlers - die Konzentration auf wenige formale Motive: kreisbogenartige Linien sowie strahlenförmige Strichbündel sind dabei vorherrschend. Die Radierung, die ab 3. Oktober im KunstSchauRaum SPLITTER ART gezeigt wird, ist so Peter Wechsler eine prototypische Arbeit innerhalb seines Oeuvres. Eine Arbeit im großen Format (74 x 89,5 cm) - und ein Langzeitprojekt, 1976 begonnen und erst vor einigen Monaten fertiggestellt. Letztlich entsteht ein Auflagendruck von 40 Stück. Von den Zustandsdrucken, die für sich genommen ebenfalls eigenständige Werke darstellen gibt es nie mehr als ein Blatt. Die hier ausformulierten Charakteristika von Peter Wechslers künstlerischen Intentionen sind das Ergebnis einer weit zurückreichenden Beschäftigung mit diesen Strukturen von beeindruckender Konsequenz. 1972 entstanden dazu erste Zeichnungen und Radierungen, ein Jahr später versuchte Wechsler die gitterartigen Linien in Farbe mittels feiner Aquarelltechnik aufzutragen, der zeichnerische Duktus bleibt dabei vorherrschend. Letztlich kehrt er jedoch zur Zeichnung und Radierung zurück, die Härte des Bleistifts und des Materials entspricht mehr der Intention seines Kunstwollens, als der dünne Pinsel. "Ich möchte" so Peter Wechsler, dass keine der Linien verloren geht." Um mit Bleistiften bis zu einer Härte von 9 H überhaupt auf Papier zeichnen zu können, so dass die Linie auch tatsächlich sichtbar wird, bedingt eine Grundierung des Ausgangsmaterials. Das Papier wird dadurch rau der Graphitstift greift besser. Der unterschiedliche Druck den die arbeitende Hand ausübt, erzeugt eine Rhythmus der sich zu einem Liniengefüge verdichtet. "Geometrie der Hand" (2), nannte Peter Wechsler sein Buch, erschienen im Triton Verlag, und meint damit die der Hand eigene Motorik, das Zusammenspiel zwischen sehendem, aufmerksamen Auge, dem die Hand folgt. Nicht im Sinne eines Automatismus oder einer spontanen gestischen Malerei - stets sind die Strukturen gewachsen - "erzeichnet, erkonstruiert". Solcherart widerspiegelt das fertige Bild einen Zustand der Erstarrung - ein Prozess ist zu Ende gegangen. Doch entstanden ist ein vielschichtiges Gesamtbild, in dem trotz maximaler Dichte Anfang - Verlauf - und Endpunkt ablesbar bleiben. Wenn es einen Endpunkt gibt, und dieser nicht wie in manchen Fällen wieder einen Anfang bedingt. Niemals ist die Zeichnung schwarz - weiß, die Oberfläche schimmert in den unterschiedlichsten Nuancierungen der Graphitfarbe von Grau bis Silber. Transparenz wechselt mit äußerster Sättigung - Lasur mit opaken Schichten - der Eindruck von Zeichnung mit Linien von höchster Präzision verbindet sich mit Assoziationen, die ein Vokabular des Beschreibens bedingen, das vielmehr in den Bereich der Malerei gehört. Von einer Zeichnung im Sinne einer reinen graphischen Form oder eines altmeisterlichen Disegno zu sprechen, ist seit der Verwendung dieses Mediums durch die Moderne ohnehin obsolet. Ingo Nussbaumer meint folgerichtig daher auch, dass der Ausdruck "radikale Malerei", im Sinne von an die äußerste Grenze eines Mediums gelangen", für die Arbeiten Peter Wechslers zutreffend sei, wäre er nicht Terminus für eine bestimmte Position einiger Maler der 80er Jahre.(3) 1973 bis 1977 wird die Kaltnadelradierung zum zentralen Medium. Für Peter Wechsler ermöglicht das Tiefdruckverfahren ebenso spontan wie auf das Papier, direkt mit der Radiernadel auf die Zink- oder Kupferplatte zu arbeiten. Doch gilt es noch mehr Widerstand zu überwinden als auf dem Papier. Hinzu kommt eine neuen Qualität der leicht ausgefransten Linie und des satten Schwarzes der Farbgrate. Es entstehen eine Reihe von großen Druckplatten, die durch stetiges Überarbeiten ähnlich verdichtet werden wie zuvor die Zeichnung. Obwohl Peter Wechsler Schwarz als die geeignetste und unmittelbarste Farbe für die Grafik erscheint, hat er immer wieder auch die Möglichkeiten des farbigen Druckes oder der Grundierung der Blätter vor dem Zeichnen mit Farbe erprobt. "Ich habe eine große Sehnsucht nach Farbe und daher auch immer wieder die Farbe gesucht." Es entspricht dem Charakter des Künstlers, dass er nicht einfach einige der Radierungen in Rot, Blau oder Gelb druckt, vielmehr sucht er die Notwendigkeit der Farbe im Bild, denn diese verändert den Eindruck, sowohl der Oberfläche als auch der Wirkung der inneren Struktur. Das Interesse an einer Reflexion über Farben bedingt ein vorangegangenes Experimentieren: "intuitiv, wie mich die Pigmente ansprechen, nicht aus einem Konzept heraus. Manchmal ist es technisch nicht möglich auf einen Farbton zu zeichnen, oder beim Druck entspricht die Farbe nicht meinen Vorstellungen. Die Möglichkeiten der Verwendung von Farbe sind noch unausgeschöpft, ich stehe", so meint Peter Wechsler, "dabei erst am Anfang."