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Franz Huemer. Retrospektive

04.02.2011 - 02.04.2011

Johanniterkirche Feldkirch, Feldkirch / Österreich

Franz Huemer – Biografie

Der Vorarlbergische Künstler Franz Huemer kam 1924 in Altenstadt bei Feldkirch zur Welt und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Bereits während seiner Schulzeit hält er sich am liebsten in der Natur auf. Nach zwei abgebrochenen Lehren meldet er sich 1941 freiwillig zum Wehrdienst und dient bis Kriegsende für die deutsche Armee in Jugoslawien. Nach einer abenteuerlichen Rückkehr nach Feldkirch gerät er 1945 in französische Kriegsgefangenschaft, wo er schwer erkrankt und eine Persönlichkeitsspaltung mit religiösen Wahnvorstellungen und Visionen durchlebt.... In der Nervenheilanstalt von Armentières wird er erstmals mit Elektroschocks behandelt. Da die Behandlung auch nach Monaten keinen Erfolg erbringt, wird er in die Heimat abgeschoben und gelangt zunächst in die Nervenheilanstalt Weissenau bei Ravensburg, wo ihn sein Bruder Hans abholt. Im Dezember 1947 ist Huemer wieder daheim in Altenstadt.

Der Neuanfang gestaltet sich für den Kriegsheimkehrer nicht einfach; Franz Huemer gerät auf die schiefe Bahn. Nach einer missglückten Strolchentour wird er verhaftet. Im Gefängnis erleidet er einen zweiten psychotischen Schub. Die kommenden zwei Jahre verbringt er in der Nervenheil­anstalt Valduna in Rankweil. Während dieser Zeit besserte sich sein Gesundheitszustand und er beginnt zu schnitzen. Im November 1954 tritt Huemer in die Schnitzschule in Elbigenalp ein, wo er während eines siebenmonatigen Kurses sein handwerkliches Können unter professioneller Anleitung verfeinert.

Ab 1956 bezeichnet sich Franz Huemer als freischaffender Künstler. Er fertigt Weihnachtskrippen an, dekoriert ganze Bauernstuben und schafft Kopien nach alten Meistern. Bereits 1957 beschliesst er, sich vom „Kommerzialismus“ abzuwenden und eigene künstlerische Wege zu gehen, indem er sich durch Fundobjekte, Verwitterungsspuren und Felszeichnungen zu Werken inspirieren lässt. Am 1. März 1959 findet er im Wald zufällig ein ausgebleichtes Blatt Papier, aus dem er – wie bei einem Vexierbild – Gestalten herausliest. Diese erste Entschlüsselungsarbeit liefert das Figurenrepertoire für das Relief Golgotha (1965). Neben einer Felswand am Göfner Schrofen, dem Hausberg von Altenstadt, und einem Wasserfleck in der Wallfahrtskirche Rankweil beginnt Huemer nun auch Wurzeln vexierbildmässig zu deuten und zu Skulpturen zusammenzubauen. Mit dem Schnitzmesser und dem Pinsel arbeitet er sorgfältig Gesichter, Hände und andere Details heraus. Bis Mitte der neunziger Jahre entsteht ein umfangreiches Werk mit Motiven, die er der christlichen Heils­geschichte, den volkstümlichen Sagen und den antiken Mythen entlehnt.

Mit seinen visionären Entschlüsselungen und seinen Wurzelwesen trifft Franz Huemer in den siebziger und den achtziger Jahren den Nerv der Zeit. Bereits 1969 besucht ihn Ernst Fuchs, der als einer der Gründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus zu den bekanntesten Künstlerpersönlichkeiten seiner Zeit gehört. In den folgenden Jahren setzt sich Fuchs für Huemers Anerkennung als Künstler ein. 1974 kann Franz Huemer seine Werke im Neuen Zeughaus in Feldkirch erstmals öffentlich in einer Einzelausstellung präsentieren und 1977 zeigt er im Rahmen der Bregenzer Festspiele seine Wurzelskulpturen. Im Anschluss an die Ausstellung im Deuringschlössle erscheint sein erster Katalog. Durch die Ausstellung im Deuringschlössle wird der Bregenzer Schriftsteller Kurt Bracharz auf Franz Huemer aufmerksam. 1983 gibt dieser zusammen mit Ingo Springenschmid den 1. Katalog zur Vorarlberger Literatur heraus. Neben Texten und Bildern der damals aktuellen Kunstszene druckt Bracharz auch zwei Beiträge von Franz Huemer ab.

1983 präsentiert Heiny Widmer im Aargauer Kunsthaus Huemers erste Einzelausstellung in musealen Räumen. Der Ausstellungsmacher Harald Szeemann schreibt am 24. März 1983 aus Tegna TI eine Karte und gratuliert ihm zur gelungenen Ausstellung in Aarau. 1991 nimmt der bekannte Ausstellungsmacher Huemer in seine legendäre Schau Visionäre Schweiz auf. Von Huemer sind in Zürich und anschliessend in Düsseldorf die Reliefs Golgotha (1965) und Gott in der Natur (1975) sowie zahlreiche Wurzelfiguren zu sehen. 1996 kuratiert Szeemann die Ausstellung Austria im Rosennetz im MAK (Museum für angewandte Kunst) in Wien, wo Huemer wiederum mit Werken vertreten ist. 1997 wird die Ausstellung unter dem Titel Wunderkammer Österreich auch im Kunsthaus Zürich gezeigt.

Anfang der neunziger Jahre intensiviert sich Huemers Interesse für Ufologie und andere Grenzwissenschaften. Er sucht Kontakt mit Gleichgesinnten, denen er Texte und Tonbänder mit seinen übersinnlichen Erlebnissen zusendet. 1994 lernen sich Franz Huemer und Rita Oberholzer kennen. Schon beim ersten Treffen verstehen sich die beiden als Wesensverwandte. Oberholzer, die sich ebenfalls für die Wurzelwelt und die Ufologie interessiert, wird zu einem wichtigen Gegenüber für Huemer. Über die Jahre hinweg besucht sie ihn fast wöchentlich. 1996 überträgt sie sein umfangreiches Manuskript Das Ufo-Rätsel gelöst und die damit zusammenhängenden höheren Kunstsysteme gefunden! in Reinschrift.

Ende der neunziger Jahre beginnt Huemer den Franz Fotokopierer als künstlerisches Medium einzusetzen, um selbst gemachte Fotografien vom Göfner Schrofen und Hohen Kasten zu vergrössern oder Planetenbilder aus Publikationen zu kopieren. Auf diesen vervielfältigten Blättern entziffert Figuren aus den christlichen, heidnischen und esoterischen Mythen, die in sein Welterklärungsmodell passen. Um das Jahr 2000 löst dieses künstlerische Verfahren das Wurzelschnitzen ab. Im Frühjahr 2005 organsiert der Kunstraum Dornbirn unter dem Titel Franz Huemer „… der letzte Rest vom abgespaltenen Paradies“ eine erste umfassendere Ausstellung, zu der ein Katalog erscheint.

Seit dem Tod seiner Mutter im Jahr 1986 lebt Franz Huemer als Einsiedler im Bahnwärterhäuschen Nr. 49. Mit viel Liebe und Feingefühl hat er einen bezaubernden Garten mit heimischen und exotischen Pflanzen und einem Goldfischteich angelegt. Sein kleines Paradies auf Erden ist allerdings bedroht. In den letzten Jahren ist in der unmittelbaren Nachbarschaft ein dicht bebautes Wohnquartier entstanden und die im Jahr 2003 errichtete Lärmschutzwand steht nur wenige Meter entfernt vor seiner Haustür. Im Jahr 2009 hat zudem ein Herbststurm dem Garten schwer zugesetzt. Solange Franz Huemer lebt, bleiben sein Häuschen und sein Garten jedoch eine Oase der Freiheit und der Phantasie.


[Quelle: www.johanniterkirche.at]

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