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Cream Cheese and Pretty Ribbons!

14.09.2018 - 13.10.2018

curated by_vienna 2018, viennaline, Wien / Österreich
Galerie Martin Janda, Raum aktueller Kunst, Wien / Österreich

Die Galerie Martin Janda zeigt im Rahmen von curated by_2018: viennaline die von Latitudes (Max Andrews und Mariana Cánepa Luna) kuratierte Ausstellung Cream Cheese and Pretty Ribbons! mit Werken von David Bestué, Sean Lynch, Eulàlia Rovira & Adrian Schindler, Batia Suter.

Das ist eine Ausstellung, die sich vorwagt in die offenbar gefährliche Zone zwischen zu viel Inhalt und zu viel Form, zu vielen Substantiven und zu vielen Adjektiven, zwischen zu viel Alltag und zu viel Kunst. Riskiert man mit Objekten oder Aussagen, die mit Informationen beladen sind – oder solchen, die vor allem anderen nützlich sein sollen –, zu abgehoben, zu bedeutungsschwanger zu erscheinen? Ohne Zweifel.... Genauso wie Kunst, die allzu „poetisch“ ist, zu ergötzlich und verfeinert erscheinen kann.

Der satirische Fackel-Träger aus Wien Karl Kraus (1874–1936) beginnt 1910 seinen polemischen Aufsatz „Heine und die Folgen“ so: „Zwei Richtungen geistiger Unkultur: die Wehrlosigkeit vor dem Stoff und die Wehrlosigkeit vor der Form. Die eine erlebt in der Kunst nur das Stoffliche. Sie ist deutscher Herkunft. Die andere erlebt schon im Stoff das Künstlerische. Sie ist romanischer Herkunft. Der einen ist die Kunst ein Instrument; der andern ist das Leben ein Ornament. In welcher Hölle will der Künstler gebraten sein?“

Der Ausruf im Titel der Ausstellung verbindet die beiden kulturellen Extreme, die Kraus in der öden Funktionalität einerseits und der schamlosen Anbetung romanischer Verspieltheit andererseits ausmachte. Als noch heuchlerischer empfand er indes den in Wien üblichen Kompromiss zwischen beiden Seiten. Kraus denunzierte die Wiener Presse wegen ihrer blumig impressionistischen Schreibe, wo doch bereits der Krieg drohte, verhöhnte aber auch das Ansinnen der Wiener Werkstätte, Alltagsgegenstände zu Kunst zu erheben.

Die Ausstellung gibt nicht vor, einen Kommentar auf die heutige Lage in Wien abzugeben. Kraus würde dies sicher missbilligen. Und obwohl wir seine Charakterisierung der Schlichtheit der germanischen Kultur und des guten Geschmacks der romanischen Kultur immer noch erkennen, handelt es sich hier auch mitnichten um eine Ausstellung über kulturelle Stereotypen.

Kraus beschwört eine Welt, in der die öffentliche Diskussion erblüht, ob nun in Pamphleten oder im Kaffeehaus. Dem folgend ist der Galerieraum als so etwas wie eine unheimliche Straßenszene angelegt. Das Habitat dieser Ausstellung besteht aus der inneren Information und der äußeren Erscheinung von Bauwerken, städtischen Einrichtungen und ihren technischen Details. Diese sind nicht selten von organischen Jugendstilformen des ausgehenden 19. Jahrhunderts inspiriert. Formen aus der Natur führen den Gegensatz von Karl Kraus ad absurdum. Mit Rückgriff auf Strategien wie Tendenz, Witz, Redundanz und Narrativ konspirieren die KünstlerInnen und Kunstwerke der Ausstellung mit scheinbar banalen Dingen und Bildern, um mit ihnen neue Möglichkeiten auszuloten, die falsche Alternative zwischen inhaltlichem Übermaß und schlechter Romanik zurückzuweisen, zu umgehen, zu übertreffen oder abzumildern.

Die Kunstwerke und Texte von David Bestué verhandeln oft die Bauart von Gebäuden und dem menschlichen Körper mittels praktischer und zugleich humorvoller Experimente mit Massen und Gleichgewichten. Die drei ausgestellten Skulpturen bestehen aus ornamentalen und funktionalen Gegenständen, Bruchstücken und Komponenten, die augenzwinkernd auf die Kulturgeschichte von der Antike über die Moderne bis zum heutigen Tage verweisen.

Die mehrteilige Installation von Sean Lynch verarbeitet eine Metapher für Schein und Oberflächlichkeit, nämlich eine Fassade. Stellvertretend nimmt er hierfür die Fassade des Museums für Naturgeschichte in Oxford, genauer die kunstreichen Steinmetzarbeiten zweier irischer Brüder aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Lynch erzählt eine Geschichte der diffizilen Handwerkskunst und der Subversion dieser Institution, und zwar anhand eines Affen, von Papageien und Eulen. Sie zeigt, wie Wissenschaft, Religion und die Künste im viktorianischen England bis zur Karikatur miteinander verwoben waren.

Am 14. September hält Lynch begleitend zu seiner Installation einen Vortrag (auf Englisch).

Eulàlia Rovira & Adrian Schindler zeigen einen mit Smartphone gedrehten Film über eine Parkbank in Barcelona und deren Reproduktion als Skulptur. Man kennt dieses Straßenmöbel gemeinhin unter dem Namen „romantisches Doppel“. Von ihm ausgehend gestaltet das Duo Geschichten und Handlungsfolgen, die nicht nur die Städteplanung zur Erweiterung der vollgestopften Städte Europas im 19. Jahrhundert in Erinnerung rufen, sondern auch den allgemeinen Hang, den Blick der Menschen im öffentlichen Raum zu steuern.

Am 14. September präsentieren Rovira & Schindler dazu eine neue Performance, die die weit verbreitete Übernahme tribalistischer Hautverzierungen zusammen mit jenen Ketten- und Harnischmotiven, wie sie für Luxusseidenschals typisch sind, thematisieren. Eine begleitende Fotoserie leitet sich von den verschlungenen Mustern dieser Textilien ab.

Batia Suter zeigt eine Wandkomposition von Fotos aus diversen Druckwerken wie beispielsweise technischen Handbüchern, Katalogen oder Zeitschriften. Daraus webt sie einen Bilddialog zum Thema ‚Zuflucht’, einem Grundbedürfnis des Menschen, das zu den vertracktesten Bauwerken führen kann. Sorgfältig ausgewählt und montiert kann man sich Suters Arbeiten als Einleitung in eine transhistorisch intuitive Enzyklopädie ohne Worte vorstellen oder als unbeschreibliche experimentelle Kombination, die die intellektuelle, symbolische und emotionale Unsterblichkeit von Bildern aufzeigt.

Text: Latitudes (Max Andrews & Mariana Cánepa Luna)

[Quelle: www.martinjanda.at]

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last modified at 15.10.2018


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