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Olivia Kaiser. In den Flüssen nördlich der Zukunft

Einladung: Olivia Kaiser. In den Flüssen nördlich der Zukunft. 2018

16.11.2018 - 13.12.2018

Startgalerie im Museum auf Abruf, Wien / Österreich

Das Werk der Wiener Künstlerin Olivia Kaiser verficht die Zeithaftigkeit und das Bestehen der Malerei in ihrem Verhältnis zum historisierend strengen Blick des Betrachters. Produzentin eines Werkes allmählicher Prozesse, einer Poetik, die Sprache und Zeit verschmilzt, engagiert sie sich in der Erforschung des Malerischen und seiner Strömungen.

Die Künstlerin nährt ihr Werk aus Momenten, die auf den ersten Blick entleert scheinen: Poesie, politische Anteilnahme und Aufmerksamkeit für das Zeitgeschehen.... Ihre Arbeiten sind erdacht und erschaffen mit der Stimme des Vorangegangenen, rückblickende Reisen sind sie, als ginge es der Künstlerin darum umzudrehen, was bereits gesehen wurde, es zu vollenden, in die Gegenwart zu projizieren und in ihr zu reaktivieren. Alles in ihrer Produktion fügt sich zu einer Melodie von unverkennbar autobiographischem Klang.

Die Frage nach dem Zeitlauf ist, mit Borges, das vielleicht „wichtigste Problem der Metaphysik“. Dieses Zeitproblem in seiner innersten Bedingtheit zu verstehen, bedeutete die Geschichte hindurch eine andauernde Aufgabe und Verunsicherung. Den Fluss der Zeit zu bestimmen war Obsession, ihn als Bewegung vom Vergangenen ins Zukünftige zu fassen Dogma. Jedoch ist auch die gegenteilige Vorstellung nicht weniger logisch. Eine Möglichkeit, die auch in Olivia Kaisers künstlerischen „Weltschöpfungen“ zur Sprache kommt.

In ihren Arbeiten sind hintergründige und verschleierte Narrative eingeschrieben und werden von der Künstlerin an die Bildoberfläche gezwungen. Bewusst in Stil und Farbgebung, fasst sie die Bildfläche als Ideen- und Möglichkeitsraum: subtil, jedoch unmittelbar betroffen, mit Körper- und Verstandeskräften. Strich, Geste, Blick und Bewegung lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters durch und über die Leinwand hinaus auf die Architektur der Vorstellungskraft der Künstlerin.

In ihren Kompositionen entbergen sich Anliegen: tellurische Farbvolumina illuminieren den poetischen Funken und in den Texturen dieser abstrakten Welten verfängt sich die Zeit. Sie schwanken dabei — als Aufbewahrungsort für Erfahrungen, Ideen und Bildvorstellungen — zwischen Lauerstellung und absoluter Gegenwart. Vordergründig scheinen Kaisers Arbeiten kantig und sich widersetzend. Sobald aber der Blick über die Leinwand, ihre Ebenen, Farben, Licht und Textur gewandert ist, d.h. nachdem all dies erlebt wurde, bleibt ein Gefühl der Befreiung. Diese Gestaltungsweise deutet auf einen Ort jenseits der einfachen Zeitfolge hin; auf einen Ort, der aus der Zukunft kommend, unaufhaltsam in die Vergangenheit voranschreitet.

Gegen jede Konvention, entscheidet sich die Künstlerin für eine provokative Zeitlosigkeit, für verstreute Farbinseln als Metaphern für Träume und Schutzräume des inneren Exils. Ihre Arbeiten markieren Orte, in denen das Zeitliche mit dem Bildhaften zusammenfällt; in ihnen ein Tanz von Perspektiven, Aufmärsche von Sprache und Form, die das Persönliche und Unmittelbare der Künstlerin durchscheinen lassen. Auf diese Weise stoßen wir auf Arbeiten, die sich dem Vergangen als etwas Unabgeschlossenem nähern und Konflikte der Gegenwart, in Prozessen, die von ihrem Ende bestimmt sind, rückgängig machen.

Bei den ausgewählten Malereien handelt es sich um Werke, die sich zuerst dem Blick zuwenden – in einem Modus der Fragmentierung, des Verkettens, des Verschwindens und Wiederauferstehens in der Zeit. Später entwickeln sie sich über Techniken der Sättigung und Bereinigung aus dem Abstrakten. Sie betonen dabei Rhythmus und Eroberung des Moments, melodisch subtil und ephemer.

Das Autonome dieser Kunstwerke entfaltet sich dabei in einem harmonisierenden Prozess von Wahrnehmung und Verstehen, der neue Bedeutungen und Möglichkeitsformen des Ästhetischen eröffnet. Neben dem Komplexen und Essentiellen, stehen dabei langsame, beinahe stumme Handlungen, die im dialektischen Spiel zwischen Bildraum und Zeitfluss, als künstlerische Aufgabe immer wieder neu aufgenommen werden; wie bei Celan aus einer Zeit kommend, die weit nördlich liegt.
Felipe Duque

Felipe Duque ist Mitherausgaber des „Entkunstung Journal“, Kurator und Produzent elektronischer Musik.

[Quelle: www.musa.at]

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last modified at 09.11.2018


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