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Patrick Baumüller. WALKING THE PLANK

19.06.2020 - 22.08.2020

Galerie Michaela Stock, Wien / Österreich

Die neue Ausstellung "Walking the Plank" des Tiroler Künstlers Patrick Baumüller in der galerie michaela stock gibt einen Einblick in die globalen Folgen unserer heutigen Konsumgesellschaft und geht dabei auf deren größten Treiber, die Entwaldung, ein. Die auf den ersten Blick spielerisch wirkenden Skulpturen und kinetischen Objekte Baumüllers lassen bei näherer Betrachtung die Überlegungen der Besucher um aktuelle umweltpolitische, ökonomische und existenzielle Fragen kreisen. Vieles schwebt in der Luft, hängt an dem dünnen Faden einer selbstvergessenen Ungewissheit, oder steht bisweilen auf tönernen Beinen....

So werden die Besucher in der Ausstellung mit dem Modell eines Trojanischen Pferdes auf einem Skateboard konfrontiert. Die Haut des Tieres wurde mit Abgüssen aus gebrauchten Verpackungshüllen des chinesischen Fastfood-Sortiments bearbeitet, welche „dekorativ" an der Oberfläche des vermeintlichen Geschenkes angebracht sind. Jene Schutzhüllen transportieren nun aber nicht mehr Lebensmittel, sondern sind Träger eines fratzenhaften Transfers. Hier offenbart sich der Hang zum Fabelhaften in der chinesischen Mythologie - milliardenfach produzierte Einheiten der Lebensmittelindustrie mutieren zum Vehikel einer selbstverliebten Tradition im Umfeld ihrer oft zelebrierten Drachenverliebtheit. Solcherlei konterkarierende Rückschau ins Alte China zitiert die Sagengeschichte bewusst in einer neuen künstlerisch-interpretativen Weise und führt sie ad absurdum. Eine ihrer zentralen Fragestellungen könnte lauten: Sind wir tatsächlich die Schöpfer und Gestalter unserer projizierten Wirklichkeit oder tappen wir nicht vielmehr in die von uns selbst gestellte Falle? Diese getarnte Gefahr tritt an der Außentextur des einst gestählten Streitpferdes als deformiertes Zerrbild unserer Konsumgesellschaft zu Tage: wie Pusteln einer Krankheit treten die Abszesse an der Haut des Pferdekörpers dem Betrachter markant entgegen.
Ihre Weiterverwendung als formgebende Bestandteile finden die hohlen Verpackungskapseln aber auch für die drei kleinen Bronzeskulpturen: ?? {Shé shé} (Zungenschlange), ? {Lóng} (Drache) oder ? {Wan} (Schale). Es heißt diese „wiederentdeckten" Grabbeigaben gehörten einst einem einflussreichen Medizinmann aus der frühen Gang-Bang-Dynastie. Eine andere Arbeit der Ausstellung, ein Parkettbrett aus edlem Tropenholz mit einem chinesischen Schriftzug, verweist einerseits auf den Titel der Schau aber auch auf den Raubbau an der Natur. Patrick Baumüller versieht ein industriell gefertigtes Parkettbrett mit einer chinesischen Inschrift, die sich in der deutschen Übersetzung wie eine prophetische Redewendung anhört: „Der Wald schwindet im Lauf der Zeit, aber dieses Stück Holz gehört noch mir." Bei dem vielschichtigen und mehrdeutigen Titel Walking the Plank reichen die Konnotationen von der überlieferten Hinrichtungsform auf frühen Piratenschiffen, bis hin zu dem idiomatischen, Ausdruck aus der Wirtschaft, wenn jemandem nach einem geschäftlichen Fehler nahegelegt wird, seinen Posten zu räumen.
In vielerlei Hinsicht wird auch die Habgier nach materiellem Besitz um jeden Preis thematisiert. Baumüller lässt dieses „Warnschild" als Verhöhnung im Raum stehen, um auf ein Missverhältnis zwischen Natur und Zivilisation hinzudeuten. Indirekt verweist das Objekt auf die Problematik der weltweiten Vernichtung von tropischen Wäldern als Folge des Turbokapitalismus.

Auf der anderen Galeriewand hängen fragil auf Fäden und Klammern befestigt die Memento Boardi, zweiseitig bearbeitete Sperrholzbrettchen. Sie stehen für eine mentale Reise der Reflexion im Wandelgang einer künstlerisch motivierten Exegese Baumüllers. Die handlichen Notiz-Brettchen stellen jene Schnittstelle dar, wo sich Innen- und Außenwelt auf der Suche nach einer Lesart der Verschränkung im Medium, sowie in Gestaltung und Form, in einer greifbaren künstlerischen Stellungnahme berühren und verschmelzen.

Patrick Baumüller, der in der Ausstellung mit natürlichen Materialien wie Holz und Pflanzen arbeitet, betont den käuflichen, objektivierenden Aspekt von Flora (und Fauna) in unserer Wegwerfgesellschaft. In einer von der Land Art inspirierten Vorgehensweise bringt Baumüller eine Mikrolandschaft in den konventionellen Ausstellungsraum und hinterfragt, was eine Pflanze in ihrer jeweiligen Umgebung wert sein kann. Die von ihm selbst gezogenen Buchen werden zu lebenden Kunstwerken und können in einer Auktion ersteigert werden. An dieser Stelle lässt sich eine Parallele zur Installation „For Forest" von Klaus Littmann im Klagenfurter Stadion von 2019 ziehen. Beide Künstler instrumentalisieren ihre Installationen als Mahnmal gegen die Vernichtung unserer Grünen Lunge.
Im zweiten Galerieraum trifft der Betrachter auf Baumüllers kinetische Skulpturen. Als ein integraler Bestandteil seiner künstlerischen Stellungnahme gelten die technikaffinen beweglichen Objekte, die durch eine mechanische oder elektrische Antriebskraft in Schwung geraten. Ausgelöst durch einen manuellen Impuls des Betrachters, pendelt das Devotionskinetikum – eine unterwürfige, immer bejahende Geste nachahmend – auf und ab.
Im Objekt Dice Me Nice bemühen sich Würfel mittels Infraschalls, Schicksal zu spielen. Eine Lautsprechermembran bewegt die Würfel rhythmisch animiert nach dem – sagen wir mal: Zufallsprinzip – und lässt sie tanzen: Schließlich wird, frei nach Johan Huizinga, alles aufs Spiel gesetzt.

[Quelle: https://web.archive.org/web/20200722130907/http://www.galerie-stock.net/ausstellungen/aktuell/1307-patrick-baumueller-walking-the-plank ]

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last modified at 27.08.2020


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