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Terese Schulmeister. Weisse Mauer. Schwarzes Loch

13.12.2019 - 14.02.2020

Sammlung Friedrichshof STADTRAUM, Wien / Österreich

Im Aufbruch, im Weggehen und im Vordringen in Unbekanntes, sieht Lawrence den höchsten Gegenstand der Literatur, der Kunst überhaupt. Das Vertraute, Bekannte verlassen, um neue Wege und Landschaften zu entdecken.

„Linien, Fluchtlinien ziehen“, nennt Gilles Deleuze diesen Prozess, der erfordert, „die weiße Mauer gesellschaftlicher Systeme, der etablierten Ordnung, ihrer Normen und herrschenden Kräfte zu durchbrechen, hinter sich zu lassen, den Bruch zu riskieren“. Er nimmt damit Bezug auf den künstlerischen, den existenziellen Prozess in der anglo-amerikanischen Literatur, ihrer Darstellung dieser Brüche, dieser Figuren, die ihre Fluchtlinie und sich selbst kraft der Fluchtlinie erschaffen.... Thomas Hardy,

Melville, Stevenson, Virginia Woolf, Lawrence, Miller, Kerouac: Abreise, Aufbrechen in eine neue Welt…

Es bleibt immer auch ein zwiespältiges Unterfangen: mit hohem Risiko und ohne Garantie dafür, dass wir nicht das wiederfinden, vor dem wir flohen. Alles zurücklassend – wie sollten da nicht Heimat, Liebgewordenes, … die Papas- Mamas, die Phantasmen neuerlich errichtet werden? In den schwarzen Löchern der Subjektivität versinken, des Ichs, das uns teurer ist als alles andere … in dem wir uns einnisten, mit unserem Bewusstsein, … unseren Gefühlen und Leidenschaften, … unseren kleinen Heimlichkeiten und unserer Sucht sie allen bekannt zu machen? Wie also dem schwarzen Loch entkommen? Wie kann die Mauer passiert werden?

Ein Entfliehen und Entkommen war es für mich, dem Elternhaus und seiner geistigen Welt den Rücken zu kehren, und mich der Kommune um Otto Muehl wenig später anzuschließen, weil mich die freie künstlerische Luft die dort wehte anzog und die Idee mich faszinierte, die Utopie eines sozialen Lebens mit freier Sexualität und Gemeinschaftseigentum praktisch zu leben. Das setzte ungeahnte Energien frei, ließ mich Neues entdecken, über innere Grenzen hinauswachsen. Das Experiment ging über nahezu 20 Jahre, dann kam ein harter Bruch und das Ende der Kommune. Desillusionierung und Enttäuschung, jedoch die Kunst blieb und die Herausforderung mein Leben und mich selbst neu zu denken. Malen, schreiben, Filme machen, boten mir Räume für Denkprozesse, in einem nahen Verhältnis zu den „Fluchtlinien“ stehend, die ja nichts anderes als die fortwährende Suche nach dem Utopischen sind. Neuerlich aufbrechen, die Reste kindlicher Illusionen zurücklassen, selbst das Liebesphantasma auflösen mit seinen bequemen, liebgewordenen Vorstellungen, um frei zu werden. „Die Gefahren, die da lauern, die Geduld, die aufzubringen ist, die Vorkehrungen die zu treffen und die gravierenden Korrekturen, die vorzunehmen sind, es sind langwierige Prozesse – ein Werden, Übergang, Sprung, Blick nach draußen.“

Der Spielfilm UNGEHORSAM, 2016, nach mehrjähriger Arbeit fertiggestellt, thematisiert diese Erfahrungen.

In der Malerei geht es direkt um Linien. Linien ziehen, die ein Blau, ein Weiß, ein Hellrosa durcheilen – die Farben der Welt, in die ich mich dabei engagiere, in sie einsteige. Malen wie auch Schreiben heißt werden, wenngleich bestimmt nicht Schriftsteller oder Maler werden, wohl aber anderes.

Es sind Prozesse auf vielen Ebenen und mit offenem Ausgang, mittendrin unwegsames Gelände ohne Anhaltspunkte, ein beständiges Weitersuchen. Linien und Wege finden, die allmählich eine innere und äußere Kartografie bilden, die sich verdichtet und ausbreitet, Höhen und Tiefen verzeichnet, Berge, Schluchten, Flüsse, Seen, Oasen und Abgründe.

„Das von seinem Selbst befreite Auge enthüllt weder, noch erhellt es. Es wandert den Horizont entlang, eine suchende, ortsunkundige Reisende, die aufs Neue zu Erkundungsfahrten aufbricht, endliche experimentelle Prozesse startet, Erfahrungsprotokolle erstellt. Hier gibt es nur mehr eins: das Leben als Experiment.„

Terese Schulmeister

[Quelle: https://sammlungfriedrichshof.at/vorschau-project-7/, 11.11.2020]

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