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Proud!

04.03.2022 - 15.04.2022

Kunstverein Kärnten, Klagenfurt / Österreich

Zeit, um stolz zu sein!

Als Frau in dieser Zeit, in einer fortschrittlichen Familie
aufgewachsen zu sein ist ein großes Privileg. So gab es in meiner Familie durchwegs starke Frauen – jede war autonom und übte einen eigenen Beruf aus. Neben dem Gasthaus, dem eigenen Papiergeschäft, dem Vollzeitberuf als Sekretärin oder Lehrerin schaukelten sie alle das Familienleben. Alle vertraten ihre eigene, individuelle Meinung. Manche davon meisterten – oft als Witwen – bis ins hohe Alter ihren Alltag im Alleingang.... Ich selbst war als Kind sehr ruhig, hielt mich meist im Hintergrund. Im musischen Gymnasium in Viktring wurde ich während acht Jahren kreativ gelebter Offenheit immer selbstbewusster und auch zusehends kritischer gegenüber den klassischen Rollenbildern der Geschlechter.

Der Schritt, ausschließlich als bildende Künstlerin zu agieren – ein nicht gerade sicheres berufliches Terrain – wurde keineswegs mit Kopfschütteln bewertet. Ich erfuhr in den ersten 30 Jahren des Durchbeißens vielmehr stetigen Rückhalt. Nicht nur familiär, sondern besonders in der Klagenfurter Kunstszene. Dass diese Unterstützung dort allerdings fast ausschließlich von Frauen kam, ist wiederum erwähnenswert. Sowohl meine erste Galerie-vertretung, die erste größere museale Ausstellung, die Jury des ersten Förderungspreises, die ersten journalistischen Rezensionen – alles geschah ausschließlich auf Einladung oder aufgrund des Handelns von Frauen. Für diese Unterstützung bin ich rückblickend ausgesprochen dankbar und es ist mir daher ein echtes Anliegen, dies weiterzugeben.

Die Ausstellung PROUD! stellt nach der Ausstellung BLUTROT, im Kunstverein Kärnten im Jahr 2017, meine zweite allein kuratierte (fast) reine Frauenausstellung dar. Es liegt mir viel daran, Kolleginnen, die ich sehr schätze, zu zeigen und sichtbarer zu machen. Eine ünstlerinnenausstellung also? Nein, viel mehr als das!

Ein Rückblick

2019, auf die Einladung hin, die Trophäe für den Maria-Tusch-Frauenpreis (in Gedenken an die couragierte Politikerin Maria Tusch) für das Jahr 2020 zu gestalten, las ich im Büro von Astrid Malle (Büro für Frauen, Chancengleichheit und Generationen) die Klagenfurter Frauengeschichtenbroschüre. Dieses schmale Heft dokumentiert bekannte Frauen mit Klagenfurt-Bezug wie z.B. Ingeborg Bachmann, Maria Lassnig u.a. Allerdings las ich auch von Namen und Berufen, von denen ich ehrlicherweise noch nie zuvor gehört hatte. In der Recherche bemerkte ich, dass es nicht an meinem Desinteresse lag, sondern an Fakten, an denen ich neu rütteln muss: Um Gleichstellung erzielen zu können, benötigt es Vorbilder.

Geschichtsbücher werden von Männern geschrieben und von ihren Bildern und Taten dominiert. Viel zu oft bleiben weibliche Akteurinnen unerwähnt. Um die Frauen-Quote steht es in den Geschichtsbüchern also schlecht. Auch Klagenfurt hat viele Frauen, auf die wir stolz sein können. Gleichzeitig gibt es eine unglaubliche Qualität von Frauen in der Klagenfurter bzw. Kärntner Kunstszene, die es zu zeigen gilt. In meinem geistigen Auge sah ich das Künstlerhaus, einen historischen Bau mit viel Licht und Platz, um diese ausgewählten weiblichen Persönlichkeiten der Geschichte mit zeitgenössischen Künstlerinnen in einen Dialog zu stellen. Oder noch besser: ins Rampenlicht.

Starke Frauen!

Für die Ausstellung werden Gegenwartskünstlerinnen zu Patinnen. Sie widmen die ausgestellte Arbeit dem Gedächtnis einer dieser historischen Frauen, treten mit Ihnen in Dialog, um sie so vor der Streichung aus dem kollektiven Gedächtnis zu bewahren. Als Mutter möchte ich bewusst machen, dass die Geschichtsschreibung nicht gleichberechtigt sein kann. Also erinnern diese Dialogpaare unter anderem an eine Frau, die schon vor mehr als 400 Jahren als Musikpädagogin fungierte, an eine andere die vor 250 Jahren eine große karitative Einrichtung begründete, an eine weitere, die vor mehr als 100 Jahren bei den ersten Autorallyes mitfuhr, sowie an eine Frau, die sich vehement für das Frauenwahlrecht einsetzte.

Bei der Auswahl für die Dialogpaare habe ich mich fast ausschließlich auf Künstlerkolleginnen aus Klagenfurt oder aus Kärnten stammende bzw. nach Kärnten gezogene konzentriert. Die Ausnahme bilden zwei Gastkünstlerinnen. Den Fokus legte ich auf erfahrene aber meinem Gefühl nach mit zu wenigen Ausstellungen geehrten Kolleginnen. Man bedenke die Tatsache, dass etwa in Niederösterreich schon zu Lebzeiten Künstler wie z.B. Arnulf Rainer ein eigenes Museum mit ihrem Namen punzieren. Davon können Künstlerinnen meist nur träumen.

Meine ehemalige und geschätzte Kollegin Tita Ruben hat mit ihrem Kunstberuf abgeschlossen. Sibylle von Halem bleibt aufgrund ihres „Brotberufs“ kaum Zeit für ihre aufwändigen Installationen. Angelika Kaufmann ist grundsätzlich als eher zurückhaltend bekannt. Meina Schellander hat für mich den Status einer internationalen Größe. Die Arbeit der Konzeptkünstlerin Irene Andessner ist für mich ein regelrechtes Geschenk, denn ihr Triptychon zeigt nicht nur die weibliche Galerie- und Museumsszene in Klagenfurt, sondern auch Sammlerinnen und weitere Kolleginnen, die Teil der Ausstellung sind. Leider ist es nur ein Ausschnitt und eine Ausstellung kann nicht allen gerecht werden. Es fehlen trotzdem so viele. Aber auch die historischen Personen stellen nur eine kleine Auswahl dar – vielleicht ein Grund in ein paar Jahren PROUD! 2.0 anzudenken?

Reine Frauenausstellungen werden manchmal negativ aufgenommen – denn historisch betrachtet wurden (und werden) in erster Linie Männer ausgestellt und definieren so den gelernten „Normalfall“. Künstlerinnen waren in großen Gruppenausstellungen oft äußerst schwach vertreten. Ähnlich verhält es sich auch bei Kunstankäufen, Soloausstellungen und Archivierungen – leider immer noch. Verstorben heißt für Künstlerinnen oft vergessen.

Ich bin aber sehr dankbar für die Präsenz von zwei männlichen Kollegen. Sprich: Quotenmännern. Hubert Sielecki hat mit Maria Lassnig die Kantate produziert – und wir haben so ein wundervolles (Selbst)Portrait Maria Lassnigs in der Ausstellung. Und Timm Ulrichs war mit einer eigenen Arbeit Ideenspender für Irene Andessners Abendmahl MMKK bei der er auch in Persona und als Hahn im Korb selbst am Tisch mit all den Frauen der Kärntner Kunstszene sitzt. Es ist mir sehr bewusst, dass wir nur gemeinsam Gleichstellung erreichen können. Nur durch Wertschätzung, Verständnis und sensiblen Beobachtungen, einer inklusiven Sprache und durch entsprechende Korrekturen.

PROUD! soll all die Frauen zeigen und klarstellen, dass nicht Alles unmöglich war (und ist). Durch konsequentes Beharren auf ihre Ideen konnten diese 22 Frauen vieles erreichen. Wir Künstlerinnen würdigen sie mit unserer Arbeit. Wir alle benötigen zeitgenössische und historische Vorbilder.

Übrigens gab es im Vorfeld die Möglichkeit die Patenschaft für das Werk einer der Künstlerinnen zu übernehmen und auf diese Weise wertzuschätzen. Auch das Frauenbüro hat die Ausstellung tatkräftig und finanziell unterstützt. Wir wissen nur zu gut, dass sowohl Frauenarbeit als auch Dienstleistung im Kulturbereich oft genug gratis geleistet wird. Daher freue ich mich, dass dadurch jede Teilnehmerin ein kleines Honorar erhält. Ganz nach dem Motto: „Pay the artist now!“.
Ina Loitzl, 2022

[Quelle: https://web.archive.org/web/20230315151632/https://www.kunstvereinkaernten.at/Archiv/2022-proud.html]

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last modified at 15.03.2023


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