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Renate Bertlmann. Intimacy

20.04.2023 - 01.06.2023

Galerie Steinek, Wien / Österreich

Unter dem Titel „Intimacy“ zeigt die Galerie Steinek besondere Motive und Materialien aus dem Werk der österreichischen Künstlerin Renate Bertlmann (*1943, lebt und arbeitet in Wien). Dabei handelt es sich um ihre Auseinandersetzung mit den Sexpuppen „Eva“ und “Adam“ (1979-2023) sowie ihre Beschäftigung mit Schnullern und ähnlichem Material in der Serie „Streicheleinheiten“ (1976-2023).
In beiden Zyklen arbeitet die Künstlerin mit dem Trägermaterial Latex egal ob vor Ort vorgefunden – aufblasbare Puppen – oder selbst ergestellt mit Hilfe von Formennegativen....


Sex Gummipuppen 1979-2023

In den Vorbereitungen für ihre vierte Performance, begibt sich Renate Bertlmann 1979 auf die Suche nach zwei Sex Gummipuppen und findet sie in einem für Erwachsene spezialisiertem Geschäft auf der Praterstrasse in Wien. Die daraus resultierende Performance "Sling Shot Action" wird von Renate Bertlmann, 1980, in der Franklin Furnace Gallery in New York aufgeführt. Indem die Künstlerin Gummipuppen benützt, bedient sie sich einer Reproduktion des Körpers ohne den Körper selbst abzubilden. Sie inszeniert die Hüllen und kann ihre Substanz, Funktion und Bedeutung erschöpfen, entleeren oder neu ausrichten. Über "Sling Shot Action", schreibt Renate Bertlmann folgende Zeilen :

"Partitur : In Form einer ironischen Genesis attackiere ich als doppelköpfige Schlange Adam und Eva, zwei Sex-Gummipuppen, mit einer Schleuder in Form eines gegabelten Doppel-Godemiches. Im Playback offeriere ich ihnen die verschiedensten Sexshop-Artikel. Ich verspreche Adam und Eva, dass deren Benutzung ihre Augen öffnen und die Erfüllung ihre tiefsten und geheimsten Wünsche und Träume bringen würde. Ich tanze solange mit ihnen, bis sie als leere Hüllen zu Boden gleiten. Abschließend schreibe ich einen Liebesbrief an die Wand, Ausdruck meiner verborgenen Ängste und tiefen Sehnsüchte“.

Diese Versprechen an ihre Puppen wird Renate Bertlmann in verschiedenen Intervallen bis heute immer wieder einhalten. 2001 treten beide Sexpuppen "Eva" und "Adam" in dem Film „Rocking Chair“ auf. Aber erst mit dem großen Fotozyklus „Top U 29“ (2005–2007) dokumentiert Renate Bertlmann das intime Leben von "Eva" und "Adam". Schwarz-weisse Fotografien zeigen das tägliche Geschehen : Sexszenen unter der Dusche, gemeinsames fernsehen, allein durch das Fenster schauen oder auch erschöpft am Küchentisch sitzen...„Top U29“ erzählt uns über das normale Leben eines Ehepaar zwischen Verzweiflung und Divertimento.

In der „Trilogie - Peep Show“, eine 2011 entstandenen Installation, werden die Bewegungen der Latexpuppen per Video aufgenommen, womit uns Renate Bertlmann in eine voyeuristische Position versetzt. Die Video-Collage läuft auf einem kleinen Bildschirm, der an einer mit rosa Sternenhimmel tapezierten Wand befestigt ist, und vom Rest des Raumes durch einen knalligen Lamé-Pink Vorhang getrennt ist. Der Vorhang erinnert an die Funktionsweise einer Peepshow –„Theater zur Betrachtung von Personen, die durch eine schmale Öffnung beobachtet werden.“

2013, taucht die weibliche Latexpuppe als "Eva im Sack" alleine wieder auf. Dabei handelt es sich um eine fotografische Inszenierung, wobei die in sich selbst gefaltete Puppe, in eine hellblau transparente Tasche gewickelt ist. In einer fötalen Haltung liegt die Plastikpuppe auf demselben Sternenhimmel wie er bei der Trilogie „Peep Show“ von 2011 verwendet wird. Die Puppe liegt also da, bereit wie ein Paket aufgegeben oder weggeworfen zu werden. Vielleicht wird Sie aber auch nur sorgfältig aufbewahrt.

Im jüngsten Zyklus „Obscene“ (2019-2021), dokumentiert Renate Bertlmann weiter das Leben von beiden Sex Gummipuppen in Form von Fotografien und Zeichnungen. Somit tanzt Renate Bertlmann seit ihrem "Sling Shot Action" mit Eva und Adam weiter... .


Schnuller und Streicheleinheiten 1975-2023

Mitte 70er Jahre tauchen im Werk von Renate Bertlmann die ersten Schnuller-Objekte auf. Meistens sind Kompositionen seriell konzipiert und in Plexiboxen eingesperrt. 1975 verwendet Sie Skalpellmesser, die die Nuckeloberfläche einschneiden und leiten den "Messer-Schnuller"-Zyklus ein. Schnuller aller Formen werden sowohl in Renate Bertlmann´s wichtige selbstinszenierte Fotozyklen wie „Zärtliche Pantomime“ (1976) und
„Zärtliche Hände“ (1977) eingesetzt, als auch während der Performance wie u.a. "Deflorationen in 14 Stazioni" im Museo Comunale dell Arte Moderna in Bologna, 1977.

Renate Bertlmann entwickelt sehr schnell ihr eigenes Verfahren, um Latexmembranen und Schnullerzusammensetzungen zu erstellen. Diese Latexhäute, auch "Streicheleinheiten" genannt, werden zum Mittelpunkt des Kunstkomplexes „Ironie“, Teil der Trilogie „AMO ERGO SUM“.


Mit dem monumentalen "Waschtag", der 1982 im Frauenmuseum in Bonn präsentiert wurde und für die Gwangju Biennale 2015 rekonstruiert wurde, schuf die Künstlerin eine Anhäufung von glatten und abgedruckten Latexstücken. Aufgehängt an Wäscheleinen, die uns sofort in ein häusliches Universum katapultieren, erscheinen die "Streicheleinheiten" sowohl als anziehend als auch abstoßend, männlich und weiblich, sanft und verstörend.

Über den "Waschtag", schreibt Renate Bertlmann : "... Die Haut ist das funktionell vielseitigste und zugleich größte Organ des menschlichen Körpers, ein Organ, durch das wir auf verschiedenste Weise mit der Welt in Kontakt treten und durch das wir Nähe und Ferne, Kälte und Wärme, Zärtlichkeit und Schmerz, Leben und Tod am intensivsten erfahren." und weiter "... Die Gestaltung der Oberflächen mit Noppen unterschiedlicher Größe und Form ist ein ironischer Versuch, die Haut als Grenzorgan zu erweitern, und spielt damit auf die Sehnsucht nach menschlicher Berührung und gleichzeitig auf die Angst vor sexueller Entartung an."

In der Ausstellung "Intimacy", werden zwei besondere Werke "Vagina dentata“ und "Vagina tenera“, 2022 entstanden, zum ersten Mal gezeigt. Es handelt sich dabei um gerahmte Küchen- oder Arbeitsschürzen. Auf die Schutzkleidungstücke sind zwei verschiedene Motive bedruckt : scharfe Skalpellklinge auf „Vagina dentata“ und sanfte Wölbungen der Streicheleinheiten auf „Vagina tenera“. Die Form des Motivumrisses erinnert an eine Öffnung und bittet uns eine frontale Sicht ins Innere - und dies ist nicht ohne Witz da die Schürze doch den Köper ummantelt und schützen sollte.

Es scheint, dass in diesen jüngsten Werken, beide Zyklen, den der „Gummi-Puppen“ und den der "Streicheleinheiten" ineinander fließen. Wenn zwei Körper oder Eigenschaften in Berührung kommen entsteht eine Intimität und Ihre touchierenden Konturen sind am stärkste zu spüren. Das Innere und das Äußere, das Ich und der Andere... alles was unser Zusammenleben ausmacht, transformiert uns ununterbrochen und formt unsere Fähigkeit loszulassen und zu verbinden.

[Quelle: https://www.galerie.steinek.at/, 20.04.2023]

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