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Anna Jermolaewa: Assemblé

08.05.2024 - 14.09.2024

Phileas. The Austrian Office for Contemporary Art, Wien / Österreich

Eine Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Pavillon auf der 60. Biennale in Venedig

Seit unserer Gründung vor zehn Jahren verbindet Phileas eine enge Partnerschaft mit dem Österreichischen Pavillon in Venedig. Ähnlich wie schon im Jahr 2022 präsentieren wir auch dieses Jahr zeitgleich mit dem Österreichischen Pavillon eine Ausstellung von Anna Jermolaewa in Wien. Ausgehend von der Ausstellung in Venedig, die von Gabriele Spindler kuratiert wurde, sind auch in Wien medial unterschiedliche Arbeiten wie Fotografien, Zeichnungen, Aquarelle, Leuchtobjekte, Skulpturen und Videos versammelt, denen das Aufzeigen gesellschaftlicher und politischer Missstände gemeinsam ist....

Jermolaewas künstlerische Praxis ist maßgeblich von ihrer Kindheit und Jugend in der Sowjetunion, ihrer aktiven Tätigkeit als Dissidentin und ihren Erfahrungen als Flüchtling geprägt. In ihren Arbeiten erweist sie sich als genaue Beobachterin des menschlichen Zusammenlebens wie seiner gesellschaftlichen Bedingungen und politischen Voraussetzungen. Oft sind es scheinbar unbedeutende Manifestationen des Alltags, welche die Künstlerin in kritischer, aber gleichzeitig humorvoller Art und Weise hinterfragt. Ein zentrales Werk im Österreichischen Pavillon ist eine neue Videoinstallation mit dem Titel Rehearsal for Swan Lake. Diese Arbeit ist in Zusammenarbeit mit der ukrainischen Balletttänzerin und Choreografin Oksana Serheieva entstanden und zeigt eine Gruppe von Tänzerinnen, die zu ausgewählten Szenen aus Tschaikowskis Schwanensee proben. Jermolaewa bezieht sich hierbei auf eine Maßnahme der Zensur in der ehemaligen Sowjetunion, bei der oft tagelang das berühmte Ballett im Fernsehen ausgestrahlt wurde, um die Bevölkerung von politischen Ereignissen oder sozialen Unruhen abzulenken. Ergänzend zur Ausstellung im Österreichischen Pavillon gewährt die Präsentation bei Phileas einen Blick hinter die Kulissen und zeigt neben der Videoarbeit auch ihr vorbereitendes Recherche- und Produktionsmaterial, darunter eine Serie von Polaroids, welche die Künstlerin während der Ballettproben aufgenommen hat.

Auch in der Installation Ribs ist Jermolaewas subversiver Umgang mit politischer Zensur zu beobachten. Diese Arbeit besteht aus alten Röntgenbildern aus der Sowjetunion, die zu abspielbaren Musikplatten umfunktioniert wurden. Weil in der Nachkriegszeit das Hören von westlicherPopmusik strafbar war, wurden ganze Alben auf entsorgte Röntgenbilder kopiert, um die verbotene Musik am Schwarzmarkt leichter verbreiten zu können. Jermolaewa hat diese Bilder von Knochen und Rippen als Zeitdokument gesammelt und auf ihre ursprüngliche Funktion zurückgeführt, indem sie diese auf medizinischen Monitoren präsentiert. Die autobiografische Videoarbeit Aleksandra Wysokinska/20 Years Later dokumentiert das erste Wiedersehen der Künstlerin mit Aleksandra Wysokinska, jener Frau, die ihr zwanzig Jahre zuvor bei der Flucht aus der UdSSR geholfen hatte. Wysokinska hatte Jermolaewa und ihren Partner damals eine Woche lang bei sich in Krakau beherbergt und ihre weitere Reise nach Österreich ermöglicht, wo sie schließlich politisches Asyl erhielt. Das Video erzählt von Jermolaewas Migrationserfahrung sowie von der Lebensgeschichte ihrer großzügigen Helferin. Mittlerweile sind seit dieser Begegnung bereits 35 Jahre vergangen. Die Ausstellungseröffnung in Wien fällt nahezu genau mit dem Jahrestag der Flucht zusammen, was die Erinnerung und Bedeutung dieser Ereignisse nochmals aufleben lässt.

Die Ausstellung Assemblé wird von einem öffentlichen Programm aus Performances, Filmvorführungen und Konzerten begleitet, das von der Künstlerin und ihren Studierenden an der Kunstuniversität Linz konzipiert und von Christian Kosmas Mayer kuratiert wurde.

Anna Jermolaewa (geboren 1970 in Leningrad, UdSSR) ist eine Konzeptkünstlerin, die mit einem breiten Spektrum von Medien wie Video, Installation, Malerei, Fotografie, Skulptur und Performance arbeitet. Nachdem sie als ursprüngliches Mitglied der ersten Oppositionspartei, der Demokratischen Union, und als Mitherausgeberin kritischer Zeitungen der antisowjetischen Agitation und Propaganda beschuldigt worden war, floh Jermolaewa 1989 nach Österreich und bekam hier politisches Asyl. Seit 1989 lebt und arbeitet sie in Wien und Oberösterreich.

Anna Jermolaewa ist seit 2019 Professorin für Experimentelle Gestaltung an der Linzer Kunstuniversität. Neben zahlreichen Einzelausstellungen nahm sie bereits seit 1999 an unterschiedlichen Biennalen teil, u. a. Biennale di Venezia (1999); Moscow Biennale of Contemporary Art (2007, 2015); The Beijing International Art Biennale (2010); Berlin Biennale (2012) und Gwangju Biennale (2014). Sie ist mit ihren Arbeiten in zahlreichen Sammlungen vertreten, wie im Kunsthaus Bregenz; Stedelijk Museum, Amsterdam; Museum of Contemporary Art Kiasma, Helsinki; MUMOK, Wien; und Belvedere, Wien. Jermolaewa wurde neben vielen anderen Preisen jüngst mit dem Dr.-Karl-Renner-Preis der Stadt Wien für ihr soziales Engagement als Mitglied des Vereins „Ariadne - Wir Flüchtlinge für Österreich“ ausgezeichnet.

[Quelle: https://web.archive.org/web/20240227023921/https://www.phileas.art/exhibition-space/annajermolaewa]

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last modified at 24.04.2024


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