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Future Light [Off-site Commissions]

Ausstellungsinformation: Future Light. 2015

11.06.2015 - 04.10.2015

Vienna Biennale 2015, Wien / Österreich

Warum tauchen gewisse Züge der „alten“ Aufklärung heute wieder auf und werden in Kunst, Aktivismus und Theorie neu entdeckt? Warum jetzt, nachdem die alte Aufklärung und ihre Vermächtnisse nahezu hundert Jahre lang problematisiert, in Frage gestellt und abgelehnt wurden? In einer zunehmend wirtschaftlichen, fragmentierten, privatisierten und überwachten Existenz, in der SteuerzahlerInnen dazu gezwungen werden, die Spekulationen der Finanzwelt auszugleichen, und in der sich die Lücke zwischen Arm und Reich rasch vergrößert – um nur einige Beispiele zu nennen –, erscheint eine Rückkehr zu grundlegenden Auffassungen und Phänomenen, die aus dem Kampf um eine universelle Emanzipation hervorgingen, nur allzu verlockend.... So werden Konzepte wie das Licht der Vernunft, das Individuum und die Öffentlichkeit neu überdacht. Dahinter steht nicht nur der Wunsch, dem Sehen auf den Grund zu gehen – als versuchte man, neu sehen zu lernen –, sondern auch ein radikaler Wandel des Begehrens und das Infragestellen von Besitz- und Eigentumsverhältnissen, wie wir sie kennen. Gleichzeitig gilt es, inmitten parallaktischer Ansichten und im Licht der extremen Widersprüche unserer Zeit den Blick für die Zukunft nicht zu verlieren – eine Zukunft jenseits von präventiven und algorithmischen Prognosen. Kunst kann dabei teils als Seismograph, teils als Spürhund dienen, um Dinge aufzuspüren, die noch nicht gesehen und gesellschaftlich geformt wurden. So entstehen neue Vorstellungswelten – ob utopisch oder dystopisch, oder in unklarer Kombination aus beidem.
Die übernommenen Auffassungen in radikal veränderten Formen könnten auf eine neue Aufklärung verweisen, die zunehmend Gestalt annimmt und sich der gewaltsamen Vermächtnisse der alten Aufklärung bewusst ist, in deren Namen jahrhundertelang Grausamkeiten begangen wurden. Es ist eine Post-Aufklärung, nicht im Sinne eines „radikalen Bruchs“, sondern einer „eingehenden Beschäftigung“ mit Merkmalen jener Zeit. Sie erkennt die Spannungen und Widersprüche im „Gepäck“ der Aufklärung an, indem sie versucht, die Zukunft nicht aus den Augen zu verlieren, während sie in einengegenwärtigen Zustand der „Retrotopie“ eingebettet ist, in dem die Vergangenheit allgemein und die Tendenz zum historischen Gedenken im Besonderen eine große Rolle spielen. So haben sich im Rahmen der Ausstellung Future Light drei theoretische und praktische Schwerpunkte herauskristallisiert: nicht-durchdringendes Licht, die Neuinterpretation des Individuums durch die Politik des Queerfeminismus mit ihrem polymorphen Begehren und die Neubewertung der Öffentlichkeit als bzw. durch Commons“ (Gemeingut) oder „Commoning“ (Nutzung und Erhalt der Commons). Jeder dieser Schwerpunkte nimmt in einem anderen institutionellen und räumlichen Setting Gestalt an, begleitet von einem Reader mit dem Titel Future Light sowie dem Mini-Symposium Politics of Shine, und teilweise vorbereitet in einem geschlossenen Workshop im Oktober 2013 sowie in einer Reihe von öffentlichen MAK Nite Labs am MAK.

In der zeitgenössischen Kunst tritt an die Stelle des durchdringenden Lichts, das Klarheit und Transparenz verleiht, nun das reflektierte und gebrochene Licht, das Undurchsichtigkeit, Abstraktion und Schatten schafft. Dieses Licht geht an und aus, es dient zwar nicht als Suchscheinwerfer, ist aber in der Lage, Neuanfänge zu fördern. Es beeinflusst nicht nur die menschliche Wahrnehmung, sondern hat in neuen Formen – zum Beispiel als energiearmes LED-Licht – auch andere greifbare Effekte auf das Aussehen und den Geschmack von Pflanzen oder den Gesundheitszustand von Menschen und Tieren. Auch die Zukunft bleibt ein Orientierungspunkt in vielen Kunstwerken. All dies wird in der Gruppenausstellung im MAK zum Tragen kommen. Bereits existierende Gemälde, Videos, Skulpturen und Zeichnungen von 17 KünstlerInnen bilden eine Installation ohne Wände, aber mit viel natürlichem Licht.
Theorie und Praxis im Namen von LGBT und Queerness gestalten seit einiger Zeit die Vorstellungen von Individualität, Subjektivität und Begehren neu. Wo herkömmliche Geschlechterbegriffe auf heteronormativen, patriarchalischen Formen des Begehrens aufbauen, wird dieser Angelpunkt in bisher nie erlebter Weise ins Wanken gebracht, unter dem Einfluss von künstlichen Möglichkeiten der Identitätserweiterung wie Hormonpräparaten. Unter der Rubrik LOVING, REPEATING präsentieren Pauline Boudry und Renate Lorenz drei filmbasierte Arbeiten in der Kunsthalle Wien. Die Installationen zeigen gefilmte Performances, in denen die Spannungen zwischen Individuum und Kollektiv ein hohes Maß an Theatralität in sich tragen. Während Rauch und Vorhänge die Sicht verschleiern, strahlen Glitter und Perücken Glamour aus. Die Charaktere in diesen Stücken sind bewusst schwer zu kategorisieren und setzen sich über die Normalität – auch von Gesetzen und Wirtschaft – hinweg. Sie gehören weder ganz der Vergangenheit noch der Gegenwart an und sehen auf anachronistische Weise neuen, noch unerfüllten Formen des Genusses entgegen.

Viele künstlerische und andere Projekte stellen heute den etablierten Diskurs über das Thema Öffentlichkeit infrage, indem sie das Konzept der „Commons“ und des „Commoning“ wiederbeleben. Oft geschieht dies als Reaktion auf Versäumnisse des Kapitalismus und den wachsenden Rückzug des Wohlfahrtsstaates. Mit der Arbeit The Report überdenken STEALTH.unlimited zusammen mit Stefan Gruber die Geschichte von Wiens selbstorganisierten urbanen Bewegungen, um sich eine alternative Zukunft vorzustellen. The Report erzählt die fiktive Geschichte der Zurücksetzung einiger entscheidender Momente eines Jahrhunderts voller gegensätzlicher Positionen – darunter die „wilde“ Settlement-Bewegung um 1920, die „sanfte urbane Erneuerung“ der 1970er Jahre und die Debatten rund um die Hausbesetzung der „Pizzeria Anarchia“ 2014. Der brisante Inhalt des Berichts soll in einer nur vier Jahre entfernten Zukunft im Jahr 2019 an die Öffentlichkeit gelangen. Die Erzählung entwickelte sich in einer Reihe von Dialogen mit zeitgenössischen AnhängerInnen der urbanen Szene, die im Frühjahr 2015 in Wien stattfanden und am 15. September in gedruckter Form präsentiert werden.

In einem neuen Film erforscht Marysia Lewandowska die „Commons“, wie sie im Kindergarten als einem frühen Testfeld für Erfahrungen wie Teilen, Zugehörigkeit, Intimsphäre und Rückzug erlebt werden. Auslöser für das Projekt waren Arbeit und Leben der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000), in denen sich viele der Widersprüche des 20. Jahrhunderts spiegeln. Auch Di Zhang, eine junge Architektin in Peking, für die der „Kommunismus des Kommerzes“ zu einem Leitstern wurde, kommt darin zu Wort. Ayreen Anastas und Rene Gabri arrangieren einen „Unworkshop“ rund um die Politik der Nahrung und Nahrungsmittelproduktion, die ein zentrales Anliegen des Künstlerduos in dessen Arbeit zu „Commons“ und „Commoning“ darstellt. Das Kunst-, Forschungs- und Designstudio Metahaven, das den Begriff der „schwarzen Transparenz“ entwickelte, gestaltete den E-Reader Future Light und das Handout, das die verschiedenen Teile des Gesamtprojekts Future Light verbindet.

[Quelle: http://www.viennabiennale.org/]

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last modified at 04.01.2016


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