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Edgar Sorgo. additiv

10.06.2015 - 09.07.2015

Akademie Graz, Graz / Österreich

Edgar Sorgo thematisiert in seinen „RGB-Color“-Zeichnungen den Wirklichkeitsbegriff der Informationsgesellschaft. Auf großem Format lässt er Bilder von Seilen und Knoten durch die Verdichtungen im Zeichnen entstehen, die sich im Wahrnehmen wieder in einzelne Linien auflösen. Dazu verwendet er drei Farben: Rot, Grün und Blau, die Grundfarben des RGB-Farbraums für die Darstellung auf Bildschirmen, der auf die Besonderheiten des menschlichen Wahrnehmungsapparates hin entwickelt wurde. Somit ist der eigentliche Bildträger erst die Vorstellung des Wahrnehmenden, wo sich die Farblichtsegmente zu Bildeindrücken formen.... Sorgos RGB-Knoten hingegen sind konventionelle Farbpigmentlinien auf dem Bildträger Papier. Das Bilderstellungsverfahren ist dennoch beide Male additiv.

Welche Wirklichkeiten durch Medien generiert werden, war auch eine wichtige Frage für David Hockney, der sich u.a. für die künstlerischen Möglichkeiten des Kopiergeräts interessierte. Seine Frage war, und das gilt auch hier, wie die Geräte die Dinge „sehen“, das heißt, wie sie sich verändern, wenn sie etwa durch das Kopieren zum Bild werden, auf eine Fläche projiziert und in CMYK-Farbpunkte aufgelöst. Die drei Schreibstifte führt Sorgo beim Zeichnen gleichzeitig in der Hand. Die jeweilige Intensität der Farblinien bleibt dabei dem Zufall überlassen. Dadurch entsteht eine von der Logik des Zeichnens abgesetzte Segmentierung, ähnlich wie bei einem Tintenstrahldrucker. Mit der nicht-konturierenden, stark verflochtenen und durch die parallelen Farben mehrfach verschobenen Linienführung entsteht der Eindruck, dass sich das „richtige“ Bild erst im Auge herstellen wird – vielleicht durch den richtigen Blickwinkel, oder auch mithilfe einer 3D-Brille? Beim Versuch sie genauer zu fassen, lösen die Knoten sich auf in ihre krause Haarigkeit, ähnlich wie sich digitale Bilder in Pixel auflösen. Es gibt dieses eine, „richtige“ Bild bei Edgar Sorgo nicht. Jeder Eindruck addiert sich zur variablen Vielfalt des Gesehenen.
Edgar Sorgo erzählt, dass er in verschiedenen Medientransfers, aber auch in gleichsam gestisch-intuitiver Konzentration die Entwicklung der Verdichtungen der kreisförmigen Linien zu Knoten verfolgt – die komplexen Formen entstehen in einem Zug wie von selbst. Knotenkunde ist hier nicht das Thema, denn es handelt sich um eigenständige Erinnerungsbilder. Der Knoten ist ja selbst als Symbol zur Erinnerung bekannt. Allerdings, im Taschentuch macht ihn sich heute keiner mehr. Erinnerung, ja sogar die Notwendigkeit dazu, hat sich im digitalen Zeitalter total verändert. Erinnert wird vor allem anhand der ständig abrufbaren Informationen und Bilder, digital verfügbar in Datenwolken und sozialen Netzwerken. Gespeichert wird so viel wie nie. Aber was davon sollte eigentlich wieder gelöscht, vergessen werden, um das kulturelle Fundament für die Zukunft zu bauen? Die heutigen Navigationen im unermesslichen Internet vergleicht Sorgo mit dem Aufbruch ins Unbekannte in der Renaissance, der Zeit der großen Entdecker, der Entdeckung der Neuen Welt. Netscape Navigator und Internet Explorer hießen die ersten Webbrowser, mit denen das Internet erkundet werden konnte. Wie die Erforschung unbekannter Regionen und ihre Ausbeutung die Welt grundlegend verändert haben, so sind wir mit den digitalen Welten in ein unbekanntes Neues aufgebrochen, dessen Kolonialisierung bereits in vollem Gang ist.
Additiv sind also nicht nur die Methoden der Bilderstellung, sondern auch die zahlreichen Assoziationen – Bedeutungsfäden, die Sorgo lose in seine Zeichnungen einknüpft, bis hin zu Deleuzes Untersuchung vom Ein- und Ausdrehen bzw. Falten und Entfalten als metaphysischem Prinzip der Barockkunst. Durch die krausen Linien, in denen sich die verschlungenen Seile auf dem Weiß des Papiers realisieren, bleiben die Knoten im Wechselspiel von Auflösung und Verdichtung schwebend und unkonkret. Dem zeitlichen Prozess der Herstellung entspricht die Dauer der Wahrnehmung: die Reise durch den Bildraum, der Linienkreisel entlang, und die Reise im Assoziationsraum, der Vielzahl inhaltlicher Anknüpfungspunkte entsprechend. In diesen Bildern ist nichts vorgegeben, aber vieles denkmöglich. Denn Knoten sind eine verwickelte Angelegenheit. Ihre Unentwirrbarkeit ist legendär.

[Quelle: www.akademie-graz.at]

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last modified at 29.07.2015


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