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Caroline Corleone

20.01.2016 - 02.03.2016

Krobath Wien, Wien / Österreich

Zur Politik der Abstraktion. Die reine Visualität der Malerei Caroline Corleones.

Im Zeitalter der ‚post-medium condition’ (1) nimmt reine Malerei eine eigentümlich anachronistische Position ein. Seit dem Siegeszug der Konzeptkunst, welche unseren Kunstdiskurs seit nunmehr über 40 Jahren prägt und Peter Osborne zufolge das dominante Paradigma unserer Gegenwartskunst ausmacht, (2) sind wir es gewohnt, dass sich künstlerischer Ausdruck a priori auf das Medium der Sprache stützt. Konzeptkunst schafft in diesem Sinne Anordnungen, in denen visuelle Medien (Malerei, Zeichnung, Fotografie) nicht mehr autark auftreten, sondern sich auf einen impliziten sprachlich-ideellen Nukleus beziehen.... Was unsere Rezeptions-Routinen betrifft, muss uns demgegenüber eine künstlerische Praxis, die sich einzig und allein dem Medium Malerei verschreibt, irritierend sprachlos erscheinen.

An den abstrakten Malereinen Caroline Corleones gleitet der Zugriff der Sprache, welcher die Phänomene unserer Alltagsumgebung mit unfehlbarer Sicherheit zu erfassen pflegt, ganz einfach ab. Die kompromisslose affirmative Sinnlichkeit dieser Bilder spiegelt sich nicht zuletzt in der schieren Unmöglichkeit wieder, sie adäquat zu beschreiben: In Corleones delikaten Kompositionen schweben pudrig-transparente Farbnebel neben opaken Flächen von pulsierender Leuchtkraft; flimmernd sich aneinanderschmiegende, weich schmelzende Farbblöcke stehen neben gestisch tänzelnden ‚taches’; hier konkretisiert sich Farbe zu schablonenhaft-scharfkonturierten Formationen, dort rinnt sie in dünnflüssigen Schlieren frei über das ungrundierte Leinen.

Geschult an den großen malerischen Traditionen Europas und Nordamerikas, zitiert und reaktiviert Corleones visuelle Sensibilität unterschiedlichste malerische Inventionen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Abstrakter Expressionismus, Colour Field, und natürlich die ‚drippings’ Jackson Pollocks. Der performative Gestus, mit dem die Künstlerin die Oberfläche des Bildträgers traktiert (an die Stelle traditionellen Malwerkzeugs rücken nicht selten Pestizid-Spritzen, Nähmaschinen und farbgefüllte Eier) gibt darüber hinaus eine Anverwandlung des Erbes jener künstlerischer Strömungen zu erkennen, welche das Medium Malerei mittels ikonoklastischer Verfahren aufzubrechen und zu erneuern suchten – von den zerschnittenen Leinwänden Lucio Fontanas bin hin zu den ‚Schießbildern’ Niki de Saint-Phalles. Es ist ein eigentümliches Aufbrechen, Lösen und in der Schwebe Halten, welches sich in Corleones Bildwelt artikuliert.

Auch in Hinblick auf unseren von der Bilderflut der Massenmedien übersättigten Blick verlangt Corleones Malerei eine Neu-Justierung unserer Sehgewohnheiten: Sehr im Gegensatz zur Appell-geleiteten Rhetorik der Werbung konfrontiert uns Corleones malerische Abstraktion mit ‚Bildern ohne Botschaft’. Und dennoch kann unser tastender Blick nicht anders, als im Abstrakten das Wiedererkennbare aufzuspüren. Diesem ‚visuellen Automatismus’ (einer anthropologischen Konstante) ist es geschuldet, dass wir die vibrierenden Linien der Nähmaschinen-Fadenzüge als EKG oder Aktienkurs zu lesen geneigt sind – oder als in vorsemantische Kritzeleien aufgelöste Schriftzeichen im Stil Cy Twomblys. Bunte Farbtropfen werden zu Graffiti-Spuren, und kryptisch-negativbildhafte Farbformationen erschließen sich als jene zufälligen Rückstände abgerissener Plakatflächen, wie sie uns aus dem urbanen Raum so selbstverständlich vertraut sind (Stichwort ‚Décollage’).

Wenn sich in der Malerei Caroline Corleones dergestalt bildliche Erinnerungsreste aus unseren individuellen Alltagswahrnehmungen niederschlagen, so ist dies der evokativen Kraft ihrer Bilder geschuldet, die sich in besonderem Maße dazu geeignet erweisen, jene After-Images wachzurufen, die wir in unserem unbewussten Bildspeicher tagtäglich mit uns herumtragen. Ebendiese Disposition des menschlichen Blicks spielt Caroline Corleone ungreifbar subtil und zugleich meisterhaft präzise aus: Wir sehen eben nicht Rot-Grün, sondern ‚Zahnpasta-Türkis’, ‚Nineteen-Eighties-Violett’ und ‚Flamingo-Rosa’ – und legen unsere kulturellen Konnotationen somit immer schon in das Gesehene mit hinein. In einer Bildserie, welche die Künstlerin seit 2013 kontinuierlich verfolgt, geht es dabei insbesondere um das vitale, aktivistisch-/aktivierende Potential der Farbe ‚Pink’.

Lassen wir uns einmal darauf ein, das uns durch massenmedialen Bildkonsum antrainierte, zielgerichtete Bild-Erkennungsraster zugunsten einer langsamen, intuitiven Betrachtung aufzugeben, so vermögen wir in Caroline Corleones Malerei Anklänge jenes alten avantgardistischen Versprechens wiederzufinden, das die malerische Abstraktion bereits in ihren Anfängen zu Beginn des 20. Jahrhunderts beseelte hatte: Abstraktion als Emanzipation von Determination und Zwängen der Zweckrationalität – als musikalische, rhythmische Komposition – als befreiende, prä-kognitive, reine Sinnlichkeit.

(1) Rosalind Krauss: A Voyage in the North Sea. Art in the Age of the Post-Medium Condition, London 1999.
(2) Peter Obsorne: Anywhere or not at all. Philosophy of Contemporary Art, London 2013.

Text: Katharina Weinstock

[Quelle: www.galeriekrobath.at]

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last modified at 08.06.2016


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