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Garten der Frauen

12.07.2002 - 23.08.2002

Niederösterreichisches Dokumentationszentrum für moderne Kunst, DOK, Sankt Pölten / Österreich

Ermutigt durch den Erfolg der Ausstellung gleichen Namens im Jahre 1999 haben wir uns zum zweiten Mal auf die Spuren verstorbener Künstlerinnen begeben und wieder interessante Erfahrungen gemacht. Schon die Lebenswege von künstlerisch tätigen Menschen verlaufen ja selten geradlinig, um wie viel verschlungener aber sind noch die Pfade, die manche künstlerische Nachlässe nehmen. Eine Überraschung im positiven Sinne erlebten wir mit dem Werk von Martha Capesius, während von Uly Kjäer (1880-1960), der ältesten der sechs ausgewählten Künstlerinnen, leider nur zu erfahren war, dass sie eine Schülerin von Albin Egger Lienz gewesen ist und ihren gesamten künstlerischen Nachlass dem Niederösterreichischen Landesmuseum vermacht hat....

Wir haben sie trotzdem für diese Ausstellung ausgewählt, weil ihre Konzentration auf die menschliche Figur, auf Figurengruppen und Dorfszenen zusätzliche Vielfalt bringen wird.

Im Falle von Martha Capesius (1890-1933) war eine Angehörige nicht nur bereit, eine große Anzahl von Leihgaben zur Verfügung zu stellen, sondern sie erzählte auch bereitwillig alles, was sie über die Tante ihres verstorbenen Mannes wusste. Die junge Martha Schreiber war eine der begabtesten Absolventinnen der Kunstschule für Frauen und Mädchen in Wien, wurde 1925 mit dem „Tina-Blau-Preis" ausgezeichnet und nach der Heirat mit Robert Capesius auch von ihrem Mann nach Kräften gefördert. Sie hielt sich viel im Semmeringgebiet bei ihrem Onkel, dem Bürgermeister von Reichenau, auf, wo einige ihrer besten Ölbilder entstanden. Aber auch der Umgebung von Wien, den Vorstädten und den ärmeren Gesellschaftsschichten gehörte ihre Aufmerksamkeit. Erste Beteiligungen an wichtigen Ausstellungen brachten beachtliche Erfolge, z. B. hat sie Anton Faistauer in Salzburg für einen Ankauf vorgeschlagen. Zur Weihnachtszeit 1933 lud sie zu ihrer ersten großen Atelierschau und am 23. Dezember desselben Jahres starb sie völlig unerwartet im Alter von nur 43 Jahren. Der untröstliche Gatte lebte mit all ihren Bildern, kaufte sogar etliche zurück, was zur Folge hatte, dass zwar das Werk als Ganzes beisammen blieb, aber der Name Martha Capesius in Vergessenheit geriet und heute selbst Fachleuten nicht bekannt ist.

Wie bei Uly Kjäer verfügt das Niederösterreichische Landesmuseum auch im Falle von Liesl Bareuther (1894-1970) über eine größere Anzahl von Werken aus dem Nachlass. Auskünfte aus dem Umfeld der Verwandten besagen, dass sie 1894 in Haslau an der Eger in Böhmen geboren wurde, lange Zeit in Baden bei Wien lebte, 1970 an den Folgen eines Unfalles verstarb und in Baden bei Wien begraben ist. Ihre Ausbildung zur Künstlerin erhielt sie von Olga Wiesinger-Florian, Alexander Demetrius Goltz und Oswald Grill. Sie war Mitglied der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs und ist vor allem als Landschafts-, Blumen- und Architekturmalerin hervorgetreten. Ihre Verwandten schildern sie als eine sehr selbstbewusste, unabhängige Frau, was man als Künstlerin ihrer Generation durchaus gewesen sein musste um zu bestehen.

Elis Stemberger (1901-1996) erhielt ihre Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Wien (heute Universität für angewandte Kunst) bei Prof. Albert Paris Gütersloh. Im Atelier Johannes Fischers, eines Freundes von Egon Schiele, hat die Künstlerin ihre eigenen Ambitionen bereits sehr früh verwirklicht. Aus dieser Zeit stammt das Bild „Spätherbst am Roten Berg" (1925), das sich seit damals im Besitz des NO Landesmuseums befindet und dadurch der Vernichtung entging, denn 1945 verlor die Künstlerin durch einen Bombenangriff alle ihre bis dahin geschaffenen Werke.
In den Nachkriegswintern traf man Elis Stemberger, wohl auch der Wärme wegen, oft in einfachen Lokalen sitzend und unermüdlich zeichnend. So entstanden ihre bekannten „Beislszenen". Damals zeichnete und malte sie auch ihre unverwechselbaren Aktdarstellungen in subtilen Brauntönen. In ihren letzten Lebensjahrzehnten arbeitete sie vor allem in Albern im Waldviertel, wo viele der ausgestellten Landschaftsbilder entstanden sind. Johann Muschik schrieb 1972 über die Künstlerin: „Elis Stemberger ist ein sympathisch gerader und bescheidener Charakter. Das schließt Leistung nicht aus, auch nicht das Maß von Enthusiasmus, welches nun einmal zum Wesen der Künstlerin gehört." Alle, die sie gut gekannt haben, werden sich erinnern: sie war umfassend gebildet, in jeder Kunstsparte zu Hause, auch in der Musik - schließlich unterrichtete sie Blockflöte am Konservatorium - und sie war eine wunderbare Gesprächspartnerin.

Charlotte Walther-Wipplingers (1911-1992) Werk wäre beinahe ebenso unbekannt geblieben wie jenes von Martha Capesius, hätte nicht der Zufall mitgespielt. Zufällig sah Günter Busch, der frühere Direktor der Kunsthalle Bremen ihre Arbeiten, als sie bereits 74 Jahre alt war und nicht mehr ans Ausstellen dachte. Er organisierte in der Kunsthalle von Worpswede eine umfassende Retrospektive, die später vom Niederösterreichischen Landesmuseum übernommen wurde. Die in Norddeutschland früh als großes Talent entdeckte und gewürdigte Künstlerin, die in Paris ihre entscheidenden Anregungen erhielt, war durch ihre Heirat mit dem niederösterreichischen Fabrikanten Evert Wipplinger, der Geburt von fünf Kindern, vorübergehender Emigration nach Südamerika und der Arbeit in Haus und Betrieb bereits jahrelang fern von jeglicher Kunstszene. Was aber nicht bedeutete, dass sie die Kunst aufgegeben hätte. In jeder freien Minute malte und zeichnete sie. Es entstanden Gartenbilder, Landschaften. Ihre besondere Begabung aber lag auf dem Gebiet des Porträts. Sie suchte in jedem Menschen, den sie porträtierte, explizit nicht das Gemeinsame, das ihn als Gattungswesen oder Bestandteil einer anonymen Masse gezeigt hätte, sondern „jenen Einzelnen". So fühlt sich der Betrachter ihrer Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder stets aufgefordert, mit dem Porträtierten in Kontakt zu treten und über dessen Leben nachzudenken.

Maria Biljan-Bilger (1912-1997) ist zweifellos die bekannteste, ja berühmteste unter den sechs Frauen der Ausstellung. Und doch ist es in den letzten Jahren ihres Lebens seltsam still um sie geworden. Warum wohl?
In seiner Eröffnungsrede anlässlich ihrer Ausstellung im NO Landesmuseum 1994 sagte Paul Parin: „...Marias Werke sind anders als das, was heute meist geschaffen wird: sie rühren auf und berühren. Ihre Kunst greift zurück in die Tiefen unbewusster Ängste, Hoffnungen und Wünsche. Dort sind die Kräfte, die aus unbestimmten Emotionen Dinge, Bilder und Formen gestalten, so weit intakt, dass sie nicht anders kann, als sie der kalten, beinahe zur Endgültigkeit erstarrten Umwelt entgegenzusetzen." Das Archaische war es offenbar, das als nicht mehr zeitgemäß empfunden wurde. Und auch ihre ureigenste Technik, die Keramik, und die starke Farbigkeit ihrer Werke sind heutzutage in Verruf geraten. Der moderne Mensch hat offenbar nicht nur Angst vor der Farbe sondern auch vor Gefühlen. Und so ist es gekommen, dass Maria Biljan-Bilger, obwohl Mittelpunkt des legendären Artclub, oftmalige Teilnehmerin an Biennalen (u.a. in Sao Paolo und Venedig) und Bildhauer-Symposien in St. Margareten und im Ausland, Professorin an der Hochschule für angewandte Kunst von 1976-81 und Schöpferin unzähliger Arbeiten „am Bau" und „im öffentlichen Raum" am Ende ihres Lebens nicht so gewürdigt wurde, wie sie es verdient hätte. Allerdings: Architekt Fritz Kurrent, ihr Mann, und eine große Schar persönlicher Freunde halten ihr über den Tod hinaus die Treue und arbeiten unermüdlich an der Vollendung des Maria-Biljan-Bilger-Museums in Sommerein, das eine würdige Heimstätte für ihren künstlerischen Nachlass darstellen wird.

Elfriede Bruckmeier


[Quelle www.noedok.at]

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