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Walter Niedermayr. Koexistenzen

25.10.2017 - 23.02.2018

aut. architektur und tirol, Innsbruck / Österreich

Ein Projekt über die Talgemeinde Fleims, Trentino/Südtirol

„In den letzten Jahren gewinnen die Eigenart und der Charakter von regionalen ­Räumen mit den ­dazugehörigen Orten und Landschaften zunehmend an Bedeutung. In diesem Zusammenhang ­ergeben sich Fragen der Raumwahrnehmung und der sie prägenden Symbole im Raum. Die Rolle der Kultur bildet in diesem Kontext die Basis für die Wiederentdeckung der Eigenheiten von Orten und der sie umgebenden Landschaft.“ (Walter Niedermayr)

Die Talgemeinde Fleims („Magnifica Comunità di Fiemme“ MCF) ist ein seit über 900 Jahren bestehender Zusammenschluss von elf Gemeinden in der Region Trentino-Südtirol, zu dem bis heute die neun italienischsprachigen Orte Predazzo, Ziano, Panchià, Tesero, Cavalese, Varena, Daiano, Carano und Castello-Molina di Fiemme, die ladinische Gemeinde Moena und das deutschsprachige Truden gehören.... Der Grundstein für den auf einem allmeindeähnlichen Konzept beruhenden Zusammenschluss wurde im Jahre 1111 durch einen Vertrag gelegt, welcher der Talgemeinschaft eine selbstständige Verwaltung, eine eigene Gerichtsbarkeit und Steuer- wie Zollerleichterungen zugestand. Über eine Verwaltungsstruktur, die ähnlich einer Bauernrepublik organisiert war, wurden über die Jahrhunderte sämtliche wesentliche ökonomischen wie gesellschaftlichen Entscheidungen gemeinsam getroffen.

Zwar löste sich die politische wie ökonomische Eigenständigkeit des Fleimstals im 19. Jahrhundert durch die sich ändernden geopolitischen Entwicklungen zunehmend auf, geblieben ist aber bis heute die Institution der „Magnifica Comunità di Fiemme“, die das kollektive Eigentum an Grund, Boden, Wald und Almen verwaltet und den ökonomischen Ertrag daraus an alle „vicini“ (Bewohner des Fleimstals) aufteilt. Und auch das in den Statuten der „Magnifica“ festgeschriebene solidarische Wertesystem, das das Allgemeinvermögen als unveräußerliches, unteilbares und kollektives Gut ansieht, prägt bis heute das Leben der Talgemeinde.

Ausgehend von diesen rechtlichen Rahmenbedingungen und der damit verbundenen sozialen und ökonomischen Solidarität, die in ihrer Grundhaltung der heute weltweit diskutierten Commons-Bewegung entspricht, entwickelten sich im Lauf der Jahrhunderte spezifische Dorfstrukturen mit urban anmutenden Bauwerken und einer ungemeinen räumlichen Dichte, mit spannenden Schichtungen zwischen öffentlichem und privatem Raum, überraschenden Erschließungssituationen, hybriden Hauskonglomeraten und mehrdimensional genutzten Strukturen.

Der Südtiroler Künstler Walter Niedermayr – international bekannt für seine fotografischen Untersuchungen von Raum als von Menschen besetzte und gestaltete Realität – beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dieser spezifischen Baukultur im Fleimstal. Über sieben Jahre lang fotografierte er in den elf Gemeinden, machte an die 10.000 Recherchefotos und auf deren Basis fokussiert bestimmte Bilder, führte Gespräche mit der Bevölkerung und las sich in die Fachliteratur über die umfassende Geschichte des Tales ein. Er lebte sich über wissenschaftliche Texte, die direkte räumliche Erfahrung bei seinen zahllosen Besuchen und vor allem durch die persönlichen Erzählungen der „Einheimischen“ in das Thema ein, konstruierte daraus seinen distanzierten, aber subjektiv gerichteten Blick und analysierte fotografisch die vorhandenen Eigenarten der Raum- und Gebäudestrukturen. Sein Interesse richtet sich auch auf den ungeschminkten Alltag, auf Gärten und Straßen, Durch- und Übergänge, Stiegen und Details, alte und neue Bausubstanz, vor allem aber die dörflichen Ensembles mit ihren historischen Schichten und aktuellen Überformungen.

In der vom Wiener Büro PAUHOF Architekten (Michael Hofstätter und Wolfgang Pauzenberger) gestalteten Ausstellung „Koexistenzen“ ist eine Auswahl dieser Fotografien von Walter Niedermayr zu sehen. Ergänzt um Interviews mit EinwohnerInnen des Fleimstals und Publikationen über die Talgemeinschaft bietet sich ein dichtes Bild dieses so spezifischen Tals und seiner urban anmutenden dörflichen Strukturen. Gleichzeitig wirft die Ausstellung aber auch sehr viel allgemeiner die Frage auf, inwieweit die Tradition der „Allmeinde“ Anknüpfungspunkt für eine nachhaltige Gestaltung der Landschaft aus dem „Geiste der Gemeinschaft“ sein könnte, besonders in dem klein strukturierten Kultur- und Wirtschaftsraum der Alpen.


Zur Ausstellung „Walter Niedermayr: Koexistenzen“ erscheint im Herbst im Verlag Hatje Cantz eine gleichnamige Publikation mit über 180 Fotografien von Walter Niedermayr sowie Texten des Schriftstellers Giorgio Falco und der Philosophin Florentina Hausknotz.

[Quelle: https://aut.cc/]

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last modified at 03.11.2017


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