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curated by_vienna 2013, Why Painting Now?

Einladung: curated by_vienna 2013. Why Painting Now?

11.10.2013 - 14.11.2013
Wien / Österreich

Why Painting Now?

Die aktuelle Aufmerksamkeit, welche die Malerei erfährt, bildet das treibende Motiv, sich mit der Wirkmächtigkeit dieses Mediums, mit seinen konzeptionellen und historischen Voraussetzungen im Verhältnis zu ihrer Wahrnehmung zu beschäftigen. Die fünfte Ausgabe des von departure – Der Kreativagentur der Stadt Wien initiierten Projekts curated by_vienna soll deshalb eine Diskussion in Gang setzen, in der es um die Reflexion des gegenwärtigen Malereidiskurses geht.

Unter dem Titel „Why Painting Now?“ realisieren ausgewählte Wiener Galerien Ausstellungen, die von internationalen Kurator_innen konzipiert werden.... „Why Painting Now?“ fragt nach den Beweggründen und Motiven die Malerei als das Medium zu sehen, das sich eignet, die Strukturen von Informations- und Kommunikationsmedien, die sich maßgeblich an den visuellen Parametern der Kunst orientieren, zu erfassen, kritisch zu beleuchten, oder ihnen aber auch zu entgehen. Die Abhängigkeit der Malerei von dem Begehren nach essenzialistischer Aufladung und ihre Involviertheit in diese Begehrensproduktion stehen dabei genauso zur Disposition wie das Verlangen nach langfristiger Sicherung von Wert. Indem sich die Malerei der Überprüfung dieser Forderungen stellt, die historischen Bindungen und Voraussetzungen analysiert vermag sie ein diskursives Feld abzustecken, das über das einzelne Bild über das Künstlersubjekt hinausgeht, und Malerei als einen sozialen Vorgang begreift. Indem sich künstlerische Produktion und ästhetische Wahrnehmung ihren wechselseitigen Wirkungen aussetzen, wird die Malerei zu einem durchlässigen Medium, das sich nicht allein auf die Leinwand beschränken lässt. Antiakademische und popkulturelle Strategien müssen in Zusammenhang mit jenen institutionellen, sozialen und ökonomischen Bedingungen diskutiert werden, die das „Why Painting Now?“1 Malerei erst hervorbringen. Gerade mit dem Fokus auf soziale und institutionelle Formationen, in die die Malerei eingebettet ist, geht „Why Painting Now?“ der Frage nach, wie das komplexe Verhältnis von Bild, Diskurs, Text und Wahrnehmung beschaffen ist, und welchen Parametern die Malerei dabei folgt.

Obgleich es bereits seit dem 18. Jahrhundert zu einer Verschiebung von den schönen Künsten, mit ihren Gattungen Malerei, Skulptur oder Grafik, zu dem übergreifenden Begriff „Kunst“ gekommen ist, und die expansiven Strategien der Entgrenzung der Künste mittlerweile einen Gemeinplatz darstellen, wird weniger das vielfach proklamierte Ende der Gattungen ausgerufen, als vielmehr ihre Neubestimmung durch die kritische Auseinandersetzung mit ihren jeweiligen Eigenschaften. Die Malerei nimmt in dieser Diskussion eine Sonderstellung ein. An ihr entzündet sich besonders vehement eine Debatte für und wider einer Spezifizität des Mediums, die zwischen als konservativ und traditionalistisch geltenden Motiven, und deren Überwindung, die wiederum oftmals an konzeptuellen Strategien festgemacht wird, geführt wird.

Das Medium, dessen vielfach beschworenes Ende immer dann ausgerufen worden ist, wenn markante technologische Erneuerungen dabei waren, sich durchzusetzen, erlebt parallel zur so genannten digitalen Revolution eine Phase, in der sein Potenzial, unterschiedliche malerische Sprechakte gleichzeitig anwenden zu können, in besonderer Weise aktiviert wird. Malerischer Gestus, Effekt der Fläche, Verhältnis von Figur und Grund können mit Konzept, Abstraktion, mimetischen und narrativen Strategien kurzgeschlossen werden. Das Fluidum der Malerei – seine Wirkung, das Fließende von Farbe und Motiv – bietet für die Performanz von Beziehungen und Verhältnismäßigkeiten, wie jene von Raum und Zeit oder von sozialen und diskursiven Konstellationen besondere Möglichkeiten. Dieses Potenzial der Malerei, Narrationen, Motive, aber auch Farben und Texturen aufzurufen zu können, eröffnet einen Denkraum, in dem stets neue Verknüpfungen hergestellt werden können.

Nachdem die Malerei zunehmend als Zeichensystem aufgefasst wird, und nicht als Medium, das in erster Linie der Aufzeichnung von Wahrnehmung dient, wie es noch Ernst H. Gombrich gesehen hat, erlangen auch Bedingungen der Malerei eine Bedeutung, die außerhalb ihrer selbst liegen. Die Malerei ist mithin in der Lage Informationen zu übertragen, die sich über den Prozess des Malens an Inhalte anpassen können. Das heißt, die Maler_innen malen durch das Medium und mehr noch durch das Auge des Betrachters hindurch, um Verknüpfungen zwischen Transmittern (den vermittelnden Formen, Inhalten und Diskursen) und Rezeptoren (den Empfindungen der Betrachter) herzustellen.

Dieser Vorgang, den David Joselit als transitiv beschrieben hat, zieht ein verändertes Verhältnis von Bild und Person nach sich. Da die beiden in einem Wechselverhältnis stehen, reagieren sie fortwährend aufeinander. Am deutlichsten wird dies vielleicht dann, wenn wir uns vor Augen führen, dass sich Malerei nicht im einzelnen hermetisch abgeschlossenen Produkt realisiert, sondern als ein Teil eines Diskurses aufgefasst wird. Helmut Draxler führt dafür den Begriff Dispositiv ein, der in Bezug auf Michel Foucault die zeitliche und historische Dimension veranschaulicht, in welche die Malerei eingebunden ist. Innerhalb dieses diskursiven Bezugsrahmens finden Verknüpfungen statt, die stets von Neuem einer Revision unterzogen werden. Nicht um sie zu dekonstruieren, sondern um weitere Verbindungen herzustellen, um malerische Effekte und Affekte beziehungsweise die physische Beziehung zum Bild zu organisieren.

Das Prinzip des perspektivischen Raumes, das vor allem Leon Battista Alberti in seiner Schrift „De Pictura“ als zentrale Konzeption des Gemäldes beschrieben hat, ist in unserer Kultur nach wie vor wirksam. Als elementares Werkzeug für die Führung des Blicks – das Blickregime – wird die Perspektive als ordnende Kraft in Frage gestellt beziehungsweise der Darstellungsmodus, der das Verhältnis von Bild zum Raum determiniert, einer kritischen Betrachtung unterzogen. In seinem Buch Das Sehen und die Malerei unterscheidet der britische Kunsthistoriker Norbert Bryson zwischen „Gaze“ und „Glance“ – dem kontemplativen und dem flüchtigen Blick. Bryson stellt Prinzipien der asiatischen Malerei, die auf den Malprozess selbst fokussiert sind, Beispiele westlicher Malerei der Renaissance gegenüber, um die unterschiedlichen Auffassungen von der Arbeit des Pinsels, von Zeigen und Verbergen, von Bewegung und Stillstand sichtbar zu machen. Bryson sieht in der Loslösung vom perspektivisch gebauten Bild, das sich räumlich in die physische Welt des Betrachters fortsetzte, veränderte Voraussetzungen für das Malen und das Sehen, das in erster Linie in einer veränderten Zeitlichkeit eines Bildes zum Ausdruck kommt. Die Berechenbarkeit des Körpers im Raum weicht Bryson zufolge einem komputativen, dh. einem berechenbaren Raum imaginärer Bezugspunkte jenseits von Dauer und Ausdehnung. Und die „verschiebbare und schweifende Mobilität des Glance“2, des flüchtigen Blicks, wird seit der Avantgarde zu einer entscheidenden Voraussetzung für eine Choreografie der Malerei, die nicht zuletzt in der Mobilisierung des Blicks, mit der eine Mobilisierung des Körpers einhergeht, zum Ausdruck kommt. Performanz, Installation, Ausstellung können in diesem Zusammenhang als kontexterzeugende Anordnungen, aber auch als soziale Formation verstanden werden, in die die Malerei involviert ist. Und zwar als Entität in einem Bezugssystem, das sich nicht durch Denotation, so Bryson, sondern durch Konnotation auszeichnet. Dieses Beziehungsgefüge schließlich macht die Malerei zu einer sozialen Malerei – zu einem arbeitsteiligen Prozess an dem Künstler_innen, Betrachter_innen, Institutionen und Medien gleichermaßen beteiligt sind.

(Eva Maria Stadler)

[Quelle: www.curatedby.at]

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