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springerin 3/10. Rechte Ränder. 2010

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springerin 3/10. Rechte Ränder. 2010. [Inhaltsverzeichnis]
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Wien / Österreich

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2010

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Umfangsangabe: 96 S. : zahlr. Ill. // Rechte Ränder in der Gegenwartskunst? Ein unausgesprochener Konsens besteht darin, dass ein Gutteil der zeitgenössischen Kunst dem linken oder linksliberalen politischen Spektrum zuzurechnen ist. Zwar halten sich parteipolitische Vereinnahmungen seit geraumer Zeit in Grenzen, doch scheint eine stille Übereinkunft nach wie vor darin zu liegen, dass die Kunst der Beförderung einer aufgeklärten Gesellschaft dienlich ist. Oder, so sie dies nicht faktisch tut, doch eine offenere, veränderte Gesellschaft in Aussicht zu stellen. Wie aber ist es um die rechten politischen Ränder bestellt? Um jene Ideologien, denen die Erhaltung traditioneller Werte und Ordnungsvorstellungen mehr am Herzen liegt als der Ruf nach Demokratisierung, nach mehr Gleichheit und Gerechtigkeit? Das rechte politische Spektrum erhält im Gefolge von Asyl-, Werte- und Sozialdebatten seit Jahren alarmierenden Zulauf, und dennoch – ein Paradox der heutigen Zeit – scheinen liberal orientierte Kunst und Kultur dieser Entwicklung hilflos gegenüberzustehen. Warum tut sich eine Kunstpraxis, die einem demokratischen Grundverständnis verpflichtet ist, so schwer, sich eingehender auf rechtspopulistische Tendenzen einzulassen, ja diese an ihren Wurzeln zu erfassen? Welche Verständnis- und Berührungsängste bestehen im Hinblick auf eine »vox populi«, die sich häufig alles andere denn weltoffen oder politisch liberal ausnimmt? Welche künstlerischen Methoden sind vorstellbar, um einem allgemeinen Rechtsruck entgegenzuwirken? Lange Zeit dachte man, die im Gefolge der Protestkultur der 1960er-Jahre aufkeimenden gegenkulturellen Formationen, egal ob in den USA oder in Europa, seien automatisch dem linken Lager zuzurechnen. Inzwischen hat sich aber die Erkenntnis breitgemacht, dass Gegenkulturen gleichwohl auch aus dem rechten Lager erwachsen können. Lawrence Grossberg versucht ausgehend von einer Bestimmung der historischen 1960er-Counterculture, rechte und linke Dissensbewegungen der Gegenwart zu differenzieren. Der daraus resultierende Befund zeichnet ein nicht wenig alarmierendes Bild, vor allem was die politische Potenz der rechten »Tea Party«-Initiative, entstanden in Reaktion auf die Präsidentschaft Obamas, betrifft. Grossberg nähert sich dem Phänomen, wie auch der Zersplittertheit linker Gruppen, mit der gebotenen analytischen Distanz und macht darauf aufmerksam, dass es zuallererst gilt, das »affektive Potenzial« dieser neuen Bewegung zu verstehen. In eine ähnliche Kerbe schlägt Edit András, die sich im Anschluss an den kürzlich erfolgten Rechtsruck in Ungarn mit der Frage befasst, welche künstlerischen Auseinandersetzungen mit reaktionären Tendenzen in ehemaligen Ostblockstaaten heute stattfinden. Das ernüchternde Bild, das András von der aktuellen Lage zeichnet, kündet unter anderem davon, wie wenig sich die Gegenwartskunst in der Lage sieht, nationalistische Tendenzen wirksam ins Auge zu fassen. Dabei wäre genau die Idee einer gemeinsamen traumatisierenden Vergangenheit ein erster Ausgangspunkt dafür, um den politischen Verhärtungen der Gegenwart zu entkommen. Wie wenig die Gespenster der Vergangenheit nachhaltig zu bannen sind, zeigen zwei weitere Beiträge auf: Peter Friedl macht in seiner ausführlichen Aufarbeitung der kolonialistischen Umtriebe Italiens darauf aufmerksam, wie eng verflochten die ehemaligen imperialen Unternehmungen auf dem afrikanischen Kontinent mit der Idee einer vorwärts gewandten, progressiven Moderne waren. Und die Bearbeitungen, die der Künstler Vyacheslav Akhunov seit langer Zeit im Hinblick auf zentrale kommunistische Symbole vornimmt, zeugen von einer höchst komplexen Situierung gegenüber der Vergangenheit: Weder nostalgisch noch revisionistisch weisen sie auf die nicht einfach zu überwindende und auch heute noch nachwirkende machthaberische Geltung dieser ehemaligen Staatssymbole hin. Schließlich befasst sich »Rechte Ränder« noch mit einem zentralen Fokus gegenwärtiger Sicherheits- und Präventionspolitik. Die Figur des »neuen Killers« sprich: des Selbstmordattentäters oder der Selbstmordattentäterin nimmt Fadi Toufiq in seinem Beitrag ins Visier. Darin wird einmal mehr vor Augen geführt, welche Herausforderung die von dieser Figur hervorgerufene Symptomatik an Gesellschaften stellt, die sich einst selbst als weltoffen und liberal definierten. Und die immer noch einem Grundverständnis verpflichtet sind, dem alles Randständige und Extreme prinzipiell. [Quelle: www.springerin.at, 09.11.2017]

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