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springerin 1/24. ArtGPT

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springerin 1/24. ArtGPT. 2024 [Inhaltsverzeichnis]
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Wien / Österreich

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2024

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Umfangsangabe: 95 S. : zahlr. Ill. // KI ist in aller Munde. Seit diverse Text- und Bildgeneratoren auf die Menschheit losgelassen wurden, überschlagen sich die Diskussionen auf vielerlei Ebenen: ob damit nicht der Wert menschlicher Kreativität komplett hintertrieben werde; ob dies nicht humane Akteur*innen in immer mehr Bereichen sukzessive überflüssig mache; ob so nicht Fälschungen und Deep Fakes Tür und Tor geöffnet würden; und ob so nicht einem autoritären Regime, das uns alle zu technologiehörigen Untertan*innen macht, Vorschub geleistet werde. Fragen wie diese tippen jedoch nur die Spitze eines Eisbergs an, der in Wirklichkeit schon seit Jahrzehnten im Wachsen begriffen ist und aktuell in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit tritt. Man könnte auch sagen: Die diversen – und es sind in der Tat sehr unterschiedliche – KI-Anwendungen haben eine derart kritische Masse erlangt, dass kaum ein gesellschaftliches Feld nicht davon tangiert wäre. Genau dieser Massierung, auf den Kunst- und Kulturbereich bezogen, wollen wir uns in dieser Ausgabe eingehender widmen. Im Mittelpunkt steht dabei weniger die Problematik, ob durch den Einsatz von KI irgendwann alles Menschliche obsolet wird. In dieser Warnung, die seit Anbruch des Maschinenzeitalters immer wieder ertönt, spiegelt sich nicht viel mehr als ein verzweifeltes Festhaltenwollen am Ausnahmestatus des Homo sapiens. Demgegenüber wollen wir hier dem umfassenderen Fragenkomplex nachgehen, inwiefern menschliche, nicht-menschliche und systemische Intelligenz- und Kreativitätsformen nicht immer schon viel enger miteinander verwoben waren, als gemeinhin angenommen wird. Thema ist somit auch, welch variableren Mensch-Maschine-Koppelungen dem aktuellen Szenario zugrunde liegen – in einem Diskurssetting, das häufig genug zwischen gedankenloser Euphorie (was den Gebrauch innovativer Apps betrifft) und übertriebenen Panikreaktionen (KI als böswilligem Diktator) pendelt. Die Beiträge dieser Ausgabe, in Anlehnung an den berüchtigten Textgenerator ChatGPT mit ArtGPT betitelt, versuchen, diese dualistische Sichtweise hinter sich zu lassen. Gleich zu Beginn fragt die Autorin Anuradha Vikram, inwiefern Künstler*innen, die sich diverser KI-Anwendungen bedienen, eine Art Mittelposition zwischen auktorialen Nutzer*innen und in die Passivität gedrängten Erfüllungsgehilfen einnehmen. Zur Sprache kommen darin auch die immer öfter geäußerten Urheberrechtsbedenken, die in Bezug auf das Training der KI-Modelle mit Milliarden von nicht-autorisierten Datensätzen laut werden. Dieser Problematik widmet sich auch der Beitrag eines zehnköpfigen US-amerikanischen Autor*innenkollektivs, viele von ihnen aus dem näheren Umfeld der Tech-Giganten, worin die konkreten Auswirkungen auf Kulturschaffende beleuchtet werden. Diesen Auswirkungen geht auch ein Roundtable mit der Künstlerin Manu Luksch, dem Informatiker Arthur Flexer und dem Autor Thomas Raab nach, worin die gegenwärtige Kunstproduktion im Zeichen von KI aus unterschiedlichen Perspektiven in den Fokus genommen wird. Wie können generative Verfahren für künstlerische Ansätze generell nutzbar gemacht werden, ohne jegliche Kreativitätskriterien vorschnell über Bord zu werfen? Erfahren eingeübte Kulturtechniken wie Sampling, Appropriieren und Remixen hier eine grundlegende Revision? Und welche möglicherweise stereotypen Ästhetiken befördert die künstlerische Arbeit mit KI? Feststellbar ist, so klingt es auch in dem Gespräch mit der KI-Künstlerin Beth Frey an, ein Überhandnehmen „generischer“ – im Unterschied zu tatsächlich „generativer“, Vorhergehendes grundlegend transformierender – Kunst. Inwiefern dies auf das theoretische Denkmodell heutiger KI zurückzuführen ist, erläutert Clemens Apprich in seinem Essay. Die Implementierung des sogenannten konnektionistischen Ansatzes in neuronalen Netzwerken habe, so Apprich, zu einer Priorisierung induktiver Methoden (im Gegensatz zu anderen logischen Verfahren) geführt. Dies ließe sich auch an den betreffenden künstlerischen Resultaten ablesen, die bisweilen zentrale Kreativitätsmerkmale, etwa die Rolle von Intuition oder gegen den vorgesehenen Gebrauch gerichteten Methodiken, vermissen ließen. Letzteres streicht auch Louis Chude-Sokei heraus, der an die Geschichte der, vor allem in der afroamerikanischen Kultur gepflogenen, „dysfunktionalen“ Verwendungsweisen autonomer Systeme erinnert, die zu oft überraschenden, ja historisch bahnbrechenden Ergebnissen geführt hätten. All dem ist, ausgesprochen oder unausgesprochen, stets auch die Frage von Macht und Gewalt eingeschrieben. So legt Meredith Whittacker, Präsidentin des Messenger-Diensts Signal, im Gespräch mit Yannick Fritz das Hauptaugenmerk auf die Machtkonzentration der Tech-Konzerne im Zuge des Ausbaus von KI. So würden die konkreten Arbeitsbedingungen, denen Abertausende von in der KI-Branche Tätigen unterliegen, zunehmend aus dem Blick geraten. Demgegenüber gelte es, die Geschichte der Informatik gerade im Hinblick auf den kontinuierlichen Ausbau wirtschaftlicher, sozialer und politischer Machttechniken zu rekapitulieren. Dem fügt Anthony Downey den ebenso relevanten militärischen Aspekt hinzu. Dieser lasse sich, so Downey in seinem Essay, in der Entwicklung algorithmischer Systeme des maschinellen Sehens als (neo-)kolonialer Bestrebungen mehr als deutlich nachzeichnen. Aus all dem lässt sich erschließen, welch größeren Transformationen durch die Verbreitung von KI bereits losgetreten wurden. ArtGPT versucht, diese Transformationen vom Kunstfeld ausgehend nachvollziehbar zu machen, ohne dabei singulären (etwa sozialen, ökonomischen etc.) Gewichtungen das alleinige Primat einzuräumen. [Quelle: https://web.archive.org/save/https://www.springerin.at/2024/1/editorial/]

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